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Politik: „Wenn er schuldig ist, soll er im Gefängnis sterben“

Stephen Push hat am 11. September seine Frau verloren. Nun vertritt er 1200 Opfer-Familien im Motassadeq-Prozess

Von Frank Jansen

Die Augen füllen sich mit Tränen. „Meine Frau war einer der besten Menschen, die ich je getroffen habe“, sagt Stephen Push. Die vorher noch klare Stimme des Amerikaners klingt jetzt brüchig, „bei der Trauerfeier zwei Wochen danach kamen 500 Leute, um ihr Respekt zu bezeugen“. Zwei Wochen danach: Das sind die 14 Tage, die auf den 11. September folgten. Pushs Frau, Lisa Joy Raines, saß in der Passagiermaschine, die ins Pentagon stürzte. Die 42-Jährige war einer der mehr als 3000 Menschen, die bei dem Terrorangriff auf die USA getötet wurden. Der Witwer Stephen Push fordert nun „Gerechtigkeit“. Da die Terrorpiloten mit ihren Opfern ums Leben kamen, richtet Push den Blick auf Komplizen und Hintermänner. Auch in Deutschland. Als eine Art Partner von Generalbundesanwalt Kay Nehm.

Der Amerikaner ist seit anderthalb Wochen Nebenkläger im Prozess gegen Mounir al Motassadeq. Der Marokkaner muss sich seit einem Monat vor dem Hamburger Oberlandesgericht verantworten. In der Anklage von Generalbundesanwalt Nehm steht, Motassadeq habe die Gruppe um den Terrorflieger Mohammed Atta bei finanziellen Transaktionen unterstützt und somit Beihilfe zum Mord an mindestens 3045 Menschen geleistet. „Wenn Motassadeq schuldig ist“, sagt Push am Donnerstag in Berlin, „dann werde ich alles dafür tun, dass er sein Leben im Gefängnis beendet“.

Der 51 Jahre alte Push tritt nicht nur für sich selbst auf. Er ist der Repräsentant von 1200 Familien in den USA, die bei den Attentaten Angehörige verloren und sich zu der Vereinigung „Families of September 11“ zusammengeschlossen haben. Push hat in Deutschland zwei prominente Anwälte engagiert. Der Hannoveraner Ulrich von Jeinsen half schon den Angehörigen der Opfer des Absturzes der Concorde im Juli 2000 nahe Paris. Andreas Schulz aus Berlin ist in mehreren Terrorprozessen aufgetreten, unter anderem im Verfahren zum Anschlag auf die Schönberger Diskothek „La Belle“. Die Anwälte nehmen schon an der Hauptverhandlung in Hamburg teil, Push selbst will sich im Dezember Motassadeq gegenübersetzen.

Der Amerikaner geht mit gemischten Gefühlen in den Prozess. Er ist froh, dass er in Deutschland als Angehöriger eines Opfers fast wie ein Staatsanwalt auftreten kann, was in den USA nicht möglich ist. Andererseits empfindet er das deutsche Strafrecht als „light“ – und gibt zu, dass er bei harten Verbrechen die Todesstrafe favorisiert.

Push hofft, dass über den Umweg des Hamburger Verfahrens die „Families of September 11“ auch bei den US-Behörden aufgewertet werden. Diese verweigerten die Einsicht in Unterlagen zum 11. September, weil es möglicherweise etwas zu verbergen gebe, sagt Push. Und er sieht den Prozess gegen Motassadeq als Chance, der Regierung Bush eine Justizreform nahe zu bringen – mit dem Ziel, endlich Nebenkläger zuzulassen. Als „Nagelprobe“ sieht Push die geplante Vernehmung des Al-Qaida-Terroristen Ahmed Ressam, der in Seattle einsitzt. Drei Hamburger Richter werden dorthin fliegen. „Ich will als Nebenkläger dabeisein“, sagt Push. Die Stimme des einstigen PR-Managers klingt nun wieder ziemlich entschlossen.

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