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Politik: Wenn Leukämie den Tod bedeutet

Die UN-Sanktionen treffen vor allem die Kranken im Irak

Das Al-Mansour-Lehrkrankenhaus in Bagdad ist ein mehrstöckiges, modernes Gebäude mit 300 Betten. In der Leukämiestation liegen die Kinder jeweils zu sechst in einem Zimmer. Neben ihnen sitzen ihre Mütter, in ihre Umhänge und Kopftücher gehüllt. Abbas ist ein stiller, auffallend hübscher Junge mit schwarzen Locken. Der Zwölfjährige, der sehr klein für sein Alter ist, leidet unter lymphoplastischer Leukämie. Die Krankheit wurde vor sechs Wochen diagnostiziert. Das wichtigste Medikament für seine Behandlung fehlt, so dass er mit großer Wahrscheinlichkeit bald sterben muss. „Es ist sehr schwer für einen Arzt, seinem Patienten zuzusehen, während er stirbt, und nichts für ihn tun zu können, weil die Medikamente nicht erhältlich sind“, erklärt der irakische Assistenzarzt Murtada Hassan. „Die Sanktionen sind eine Strafe für die Patienten.“

Nirgendwo sind die Folgen des UN-Embargos gegen den Irak so deutlich wie in den Krankenhäusern. Dort fehlt es an Geräten, Büchern und Fachzeitschriften, vor allem aber an Medikamenten, die über Leben oder Tod der Patienten entscheiden können. So ist Leukämie bei Kindern nach Angaben der österreichischen Ärztin Eva-Maria Hobiger, die mehrmals in den Irak reiste, in Westeuropa in über 90 Prozent der Fälle heilbar. Dafür benötigen sie über einen längeren Zeitraum eine Behandlung mit einem Cocktail verschiedener Antibiotika und anderer Medikamente, die jedoch aufgrund des Embargos im Irak nicht alle erhältlich sind. Das UN-Sanktionskomitee beruft sich bei ihrer Entscheidung auf den sogenannten „dual use“: bestimmte Medikamente seien auch zur Herstellung chemischer Kampfstoffe nutzbar.

Noch schlimmer als in Bagdad ist die Situation im Süden des Landes. Die Krebsrate ist dort in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. Irakische Ärzte vermuten, dass mit Uran angereicherte Bomben, die die Briten und US-Amerikaner dort 1991 und 1998 abwarfen, daran schuld sind. Beweise gibt es dafür jedoch bisher nicht. Auch Missbildungen treten bei Neugeborenen verstärkt auf. „Solche Bilder habe ich sonst nur von Tschernobyl gesehen“, sagt die Ärztin und deutsche Vorsitzende der „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" (IPPNW), Angelika Claußen, die in der vergangenen Woche im Irak war.

Ingrid Wenzl[Bagdad]

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