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Politik: Wenn man Glauben schenken darf

DIE UNION IM AUFWIND

Von Robert Birnbaum

Wäre Politik ein BörsenGeschäft, müsste man Anlegern zum Jahresauftakt die Aktie CDU/CSU zur Beachtung empfehlen. Sicher, die Firma ist derzeit arg überbewertet, weil sich niemand traut, am Bankschalter offen nach den Papieren der Konkurrenz zu verlangen. Aber die Geschäftsführung hat zum Jahresanfang Weichen klug gestellt, ein rascher Kurssturz ist nicht absehbar. Und trotzdem zögert man mit einer glatten Kaufempfehlung.

Zuerst das Positive. Die Union stellt sich nach verlorener Bundestagswahl nicht in die Sonthofen-Ecke, sie verspricht konstruktive Zusammenarbeit, sie rückt von unhaltbaren Wahlkampf- Wohlfühl-Positionen ab. Das ist richtig und lobenswert, vor allem aber alternativlos. Wer Deutschland als „Sanierungsfall“ einstuft, darf nicht durch Blockade den Zustand verschlimmern wollen. Kein Mensch wählt zum Regen auch noch die Traufe dazu.

Überdies zwingen die Verhältnisse zur Kooperation. Die Union kann mit ihrer Mehrheit im Bundesrat, selbst wenn die durch einen Sieg in Niedersachsen noch größer würde, nicht selbst Politik gestalten. Der Bundesrat ist keine Nebenregierung. Er kann nur zu korrigieren versuchen, was er an den Vorgaben der Bundestagsmehrheit für falsch hält. Das hat im Falle der Hartz-Gesetze funktioniert, zum beiderseitigen Vorteil. Ohnehin liegt ja in der Konstellation eine Chance. Die Reformwilligen aller Parteien können mit dem Hinweis, dass man leider auf die Zustimmung der anderen Seite angewiesen sei, die jeweiligen Klientel-Interessen zurückdrängen.

Theoretisch wissen fast alle, was ökonomisch notwendig wäre. Das hat übrigens nichts mit einer heimlichen Großen Koalition zu tun. Der Begriff beschreibt die Machtverhältnisse falsch. Außerdem löst das Wort Abwehrreflexe aus, die vernünftige Taten verhindern.

In der Chance steckt zugleich ein Dilemma: Funktioniert das Reformbündnis, steckt die Regierung das Lob ein – und schiebt unangenehme Folgen der Sanierung der Opposition in die Schuhe. Das Interesse der Union daran, den Kanzler zum Reformator zu machen, ist aber naturgemäß gering. Damit kommen wir zur Gretchenfrage: Wie ernst meint es die Union auch über den Landtagswahltag am 2. Februar hinaus? In ihren Polemiken erklären CDU und CSU, dass sie die SPD für unfähig zum Umbau der Sozialsysteme halten. Wenn sie davon wirklich überzeugt sind, wäre das Angebot zur Reformer-Koalition bloß ein Lippenbekenntnis, das zu nichts verpflichtet.

Also nur ein taktisches Entgegenkommen? Die Union hätte es leicht in der Hand, den Verdacht zu zerstreuen. Sie müsste nur sagen, was sie will und wohin sie will. Die Papiere, die sie zum Jahresanfang vorgelegt hat, sagen das nicht – es sind sehr dünne Aufgüsse dünner Wahlkampfprogramme. Aber das Land ist in einem Zustand, in dem es nicht mehr reicht, Begriffe zu besetzen. Die Bürger wollen nüchterne Perspektiven sehen, die angenehmen wie die unangenehmen, und das alles bitte konkret.

Das ist nicht Aufgabe der Opposition? Doch, das ist es. Der Kurs der Aktie CDU/CSU beruht zu guten Teilen auf Spekulation. Er bleibt nur so hoch, wenn die Firma das Vertrauen auf Dauer rechtfertigt.

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