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Politik: Wenn Sport zum Luxus wird

Weltkindertag: Hilfsorganisationen kritisieren deutsche Politik

Berlin - Drei Millionen Kinder und Jugendliche leben nach Berechnungen des Deutschen Kinderhilfswerks derzeit in Deutschland in Armut. Michael Kruse, Sprecher des Kinderhilfswerks, erklärt auch, was unter Armut in diesem Falle zu verstehen ist: „Wir sprechen von sozialer und kultureller Ausgrenzung.“ Die Kinder und Jugendlichen hätten zum Beispiel nicht genug Geld, um in einem Sportverein aktiv zu sein oder ins Kino zu gehen. Gerade in Berlin gebe es Kinder, „die noch nie im Urlaub gewesen sind“, sagt Kruse. „Es geht hier nicht um bettelnde Kinder, Kinderarmut findet in Deutschland zu Hause statt.“ Eine genaue offizielle Zahl gibt es nicht, da Kinder und Jugendliche im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nicht gesondert aufgeführt sind. Die Zahl der Kinder unter 15 Jahren, die in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften leben, gibt die Bundesagentur für Arbeit im August 2008 mit rund 1,7 Millionen an. Insgesamt 2,7 Millionen unter 25-Jährige leben von Hartz IV.

Am 20. September findet in Deutschland jedes Jahr der Weltkindertag statt. 1954 beauftragte die UN-Hauptversammlung das UN-Kinderhilfswerk Unicef damit, einen Weltkindertag auszutragen. „Unsere Gesellschaft wird immer älter, und die Interessen von Kindern kommen darin zu kurz“, sagt Helga Kuhn, die Pressesprecherin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, Unicef. Dies sei das Hauptproblem, auf das der Weltkindertag aufmerksam machen solle. „Kinder aus Migrantenfamilien und Kinder von Alleinerziehenden werden in Deutschland immer weiter abgehängt“, sagt Kuhn. Im Bereich der frühkindlichen Förderung sei Deutschland im internationalen Vergleich weit abgeschlagen. Zudem hätten Migrantenkinder und Kinder aus bildungsfernen Familien weit schlechtere Chancen auf Erfolg im Bildungssystem. In der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 seien ganz klar Rechte für Kinder festgehalten, wie zum Beispiel das Recht auf Bildung, auf freie Meinungsäußerung oder auf gesellschaftliche Teilhabe. Seit 1994 setzen sich Unicef, Deutsches Kinderhilfswerk und Deutscher Kinderschutzbund im Aktionsbündnis Kinderrechte gemeinsam dafür ein, dass die UN-Konvention in Deutschland umgesetzt wird.

„Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung verpflichtet, die Belange von Kindern auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen zu berücksichtigen“, sagt Kuhn. Dennoch geht ihr das Engagement für Kinder bislang nicht weit genug. Es gebe zwar viele gute Ansätze, sie würden aber auf verschiedene Politikbereiche wie Familien- und Jugend-, Bildungs-, Gesundheits- oder Sozialpolitik verstreut. Das Aktionsbündnis Kinderrechte fordert deshalb die Aufnahme von Kinderrechten als Grundrechte ins Grundgesetz. Der Deutsche Kinderschutzbund fordert zudem einen eigenen Hartz-IV-Regelsatz für Kinder und einen Kinderzuschlag für einkommensschwache Eltern.

Im Bezug auf eine seiner Hauptforderungen hat das Aktionsbündnis allerdings eine Schlappe hinnehmen müssen: Der Vorschlag der Bundesländer Bremen und Rheinland-Pfalz, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, fand im Bundesrat am Freitag keine Mehrheit.

Kruse vom Kinderhilfswerk nennt weitere konkrete Forderungen: „Es muss vor allem mehr Geld für Kinder und Eltern geben.“ Zudem seien große Investitionen in die Bildung nötig. Gerade kleine Kinder aus Migrantenfamilien müssten gefördert werden. „Sie müssen die Möglichkeit bekommen, die deutsche Sprache zu erlernen, um später im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen zu haben.“ Dazu gehöre auch, dass flächendeckend Ganztagsschulen eingeführt werden müssten. Dort könne den Kindern in Form von Sport und Freizeitaktivitäten die Möglichkeit geboten werden, über den Unterricht hinaus zu zeigen, was sie können. Zudem legt Kruse Wert darauf, dass Kinder eine warme Mahlzeit pro Tag bekommen könnten. „Diese soll von den Kindern selbst zubereitet werden, um die Arbeit im Team zu vermitteln.“ So könne die Sozialkompetenz gefördert werden.

Florian Ernst

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