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Politik: Wer haftet?

Grundsatzstreit beim Strafvollzug prägt auch Anhörung zur Staatsreform

Berlin - „Je näher eine Reform rückt, umso stärker beschreiben ihre Kritiker den Ist-Zustand als paradiesisch.“ Die Erkenntnis stammt vom sächsischen Justizminister Geert Mackenroth, und sie bezieht sich auf einen Teil der Föderalismusreform , der heftig umstritten ist – die geplante Verlagerung der Zuständigkeit für den Strafvollzug an die Länder. Also all jene Regelungen, die sich auf die Art der Strafverbüßung beziehen wie Freigang, offener oder geschlossener Vollzug, Zellenbelegung, Hafterleichterungen. Die meisten Juristenverbände lehnen das Vorhaben ab und wollen, dass weiter der Bund zuständig ist. Im Kern geht es um einen Glaubenssatz: den Vorrang der Resozialisierung von Gefangenen bei den Vollzugszielen. Der wurde 1977 in einem Bundesgesetz festgeschrieben. Die Reformkritiker fürchten nun, dass in den Landtagen diese Errungenschaft geschleift wird.

Eine Befürchtung, die am dritten Tag der Marathonanhörung zur Föderalismusreform von Bundestag und Bundesrat häufig anklang, aber nicht unbedingt bestätigt wurde. Zwar waren die Kritiker der geplanten Regelung unter den Sachverständigen in der Mehrheit, doch die Äußerungen der Minderheit, die sich eine Übertragung auf die Landtage vorstellen kann, legten nicht den Eindruck nahe, dass Resozialisierung künftig kein großes Gewicht mehr haben könnte oder der Strafvollzug das nötige Maß an Einheitlichkeit in Deutschland verlieren würde. So wies der Präsident des Landgerichts Darmstadt, Thomas Aumüller, darauf hin, das zum einen die Grundrechtsartikel der Verfassung und zum anderen mittlerweile 126 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Strafvollzug den Ländern einen Rahmen setzten. Ein völliges Auseinanderdriften der Gesetzgebung – so auch der Würzburger Oberstaatsanwalts Clemens Lückemann – sei durch Landeszuständigkeit nicht zu befürchten.

Dagegen betonte der Leipziger Staatsrechtslehrer Manfred Seebode, dass zum einheitlichen Strafgesetzbuch des Bundes auch ein einheitliches Vollzugsrecht gehören müsse. „Wer eine Strafe androht, muss auch sagen, wie sie aussieht.“ Seebode warnte dringend vor einem Auseinanderreißen von Strafrecht und Vollzugsrecht. Mit der Neuregelung wolle sich der Bundesgesetzgeber – also Bundestag und Bundesrat – nur der Schwierigkeit entziehen, beim Vollzugsrecht Kompromisse zu finden. In der Tat fehlen auch aus diesem Grund seit Jahren – das monierten mehrere Sachverständige – ein Jugendstrafvollzugsgesetz und ein Untersuchungshaftgesetz. Die Befürworter der Reform sehen daher in die Verlagerung des Strafvollzugs zu den Ländern eine Auflösung der Blockade zwischen Bundestag und Bundesrat.

Einen Kompromissvorschlag machte der Trierer Professor Gerhard Robbers, der mehr der Länderlösung zuneigte: Man könne die Vollzugsziele, also auch den Vorrang der Resozialisierung, in das Strafgesetzbuch des Bundes aufnehmen, dann wären die Länder daran gebunden. Robbers betonte, eine Länderzuständigkeit bringe die Möglichkeit, mehr als bisher zu experimentieren. Andererseits wies der hessische Gefängnisleiter Klaus Winchenbach darauf hin, dass schon jetzt mit dem Bundesgesetz die Spielräume für eigene Akzentsetzungen der Länder sehr groß seien. So läuft der Streit – neben dem Argument der Blockadeauflösung – letztlich auf eine Gewichtungsfrage hinaus: Wenn die Länder schon Spielräume haben und es damit Unterschiede gibt, soll man ihnen dann nicht gleich die ganze Gesetzgebungskompetenz geben – oder soll Strafvollzug Bundessache bleiben, wenn Spielräume auch so möglich sind?

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