zum Hauptinhalt

Berliner SPD: Wer ist Heinz Buschkowsky?

Er ist ein Aufsteiger: In Deutschland und der SPD. Lange hatte er es in seiner Partei schwer. Jetzt schmeißen sich alle an ihn ran. Auch auf dem Parteitag an diesem Sonntag in Berlin.

Woher kommt Buschkowsky?

„Multikulti ist gescheitert“, hat er 2004 verkündet. Damals ein schriller Ton in den Ohren des rot-grün-linken Berliner Milieus. Dabei gibt es seit 2001 – da ist er zum zweiten Mal Bezirksbürgermeister von Neukölln geworden – in Deutschland niemanden, der mit soviel Energie, Witz, Hartnäckigkeit und Ideen an der schwierigen multikulturellen Realität arbeitet. Heinz Buschkowsky kommt von unten, aus einfachen Verhältnissen. Er ist einer von Millionen Aufsteigern der Nachkriegszeit. Mit 18 Jahren konnte er sich sein erstes Auto kaufen, weil er als Kind aufs Kartoffelfeld gegangen ist und als 13-Jähriger 4 Mark 95 die Stunde beim Gewindedrehen verdient hat. Der Weg aus der Enge einer Neuköllner Kellerwohnung war anstrengend, aber auch berechenbar. „Du sollst es mal besser haben“, war die Devise der Eltern. Und Buschkowsky wusste: Das heißt arbeiten, sich anstrengen, und das zahlt sich auch aus.

Buschkowskys Erscheinung und Habitus verleiten dazu, ihn zu unterschätzen: Klein, breit, stattlicher Bauch. Der schlagfertige Berliner wird gern als bloßer Hansdampf angesehen, als Sozialdemokrat vom alten Schlag, kurz: als Local Hero mit beschränkter Wirkung eingeordnet. Doch Buschkowsky ist ein Autodidakt, der nicht nur aus den Erfahrungen seiner Biografie lebt, sondern sie „auf die Höhe der Zeit“ (Willy Brandt) gebracht hat. Er kennt den Stand der Migrationsdebatten und verficht unerschrocken sein Konzept. Fördern und fordern. Wer hierher kommt, muss die Regeln anerkennen, die hier gelten. Auf internationalen Foren fragt er, ob in unseren Städten die Werteordnung der europäischen Menschenrechtskonvention noch gilt. Und lässt damit die professoralen Reisekader alt aussehen, die vorzugsweise von Vielfalt und Chancen der Migration schwärmen.

Weil Buschkowsky darüber mehr weiß als jeder seiner Kritiker, die von den Spannungen nicht laut reden wollen, lässt er sich von Gegenwind kaum beeindrucken. Seine Stadtteilmütter – das Modell hat er den Rotterdamer „Rucksackmüttern“ abgeschaut – sprechen zwei Sprachen. Sie machen Nachbarschaftsarbeit, um Jungen zum Schulbesuch zu bewegen, beraten Mütter und Alte. Sie sind Teil von Buschkowskys Feldversuch, dem Labor Neukölln, in das er seinen ganzen Ehrgeiz investiert. „Sag deiner Mutter einen schönen Gruß, das hat sie gut gemacht“, ruft er dem 19-jährigen Hüseyin Ekici auf einer Gedenkveranstaltung für Kirsten Heisig zu. Der hat als 14-jähriger Delinquent vor der verstorbenen Jugendrichterin gestanden, heute ist er Schauspieler. Diese Wende verdankt er auch seiner alleinerziehenden Mutter, die ihm gesagt hat, dass sie ihn rausschmeißen würde, wenn er „Hartz IV“ wird.

Doch Hartz, nicht Arbeit und Anstrengung, ist eben im Neuköllner Norden die Perspektive – für viele Zuwanderer ist das schon Aufstieg genug. Diesen Unterschied zur eigenen Laufbahn sieht und benennt Buschkowsky ohne Rücksicht auf Correctness und eingeschliffene Formeln.

Was unterscheidet ihn von Thilo Sarrazin?

Buschkowsky und Sarrazin verbindet die Weisheit des sozialdemokratischen Gründervaters Ferdinand Lassalle, wonach jede Politik damit beginnt, auszusprechen, was ist. Doch Buschkowskys klarer Blick auf die Realitäten schließt eine Haltung ein, die er bei Sarrazin vermisst. Buschkowsky glaubt daran, dass man diese Wirklichkeit verändern kann. Er kritisiert Sarrazins undifferenzierte Sicht auf die Muslime und lehnt vor allem dessen Überwertung der Genetik und Vererbung ab: Es sei eben keine Illusion zu glauben, dass man Menschen durch Bildung verändern könne. Schon vor der Veröffentlichung des Buches „Deutschland schafft sich ab“ war Buschkowsky über Sarrazins „Kopftuchmädchen“-Provokationen keineswegs begeistert. Obwohl er selbst gezielt provoziert und vor anstößigen Begriffen nicht zurückschreckt, zieht Buschkowsky eine Grenze. Er redet Klartext: Wo die Kinder nicht zur Schule gehen, kommt das Kindergeld nicht aufs Konto. Er schützt die Schulpflicht mit Wachposten vor den Schulen, plädiert für frühe Kita-Pflicht und einen Staat, der seine Autorität gegen Gewalt und Gesetzverstöße einsetzt. Doch er stößt die Menschen, die er bewegen will, nie so vor den Kopf, dass sie sich pauschal abgestempelt fühlen.

Ist er Star oder Außenseiter der SPD?

Wenn Sarrazins Buch einen positiven Effekt hat, dann, etwas salopp gesagt, diesen: An Heinz Buschkowsky schmeißen sich jetzt alle ran. An diesem Sonntag beginnt der SPD-Parteitag mit der Diskussionsrunde „Ohne Angst und Träumereien. Praxis der Integration in Deutschland“. Buschkowsky sitzt auf dem Podium, sein erster SPD-Großauftritt. Seinerzeit wollte der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses seine Erfahrungen aus Rotterdam nicht hören, auf Betreiben der SPD. Die Spannungen mit Fraktionschef Michael Müller sind stadtbekannt; Klaus Wowereits Interesse an Neukölln ist erst mit Näherrücken der nächsten Wahl gestiegen. Weil Buschkowsky aus dem „rechten“ SPD-Flügel kommt, wird auch seine Integrationspolitik gern in diese Schublade gesteckt. In der Bundes-SPD ist er nicht der einzige kommunale Praktiker, der in den letzten Jahren einen schweren Stand hatte – ein Ausdruck der Basisentfernung der SPD.

Ist Buschkowsky überhaupt ein Politiker?

Schlagen wir nach beim Klassiker: „Politik als Beruf“ von Max Weber. Buschkowsky bohrt in Neukölln zweifellos ein dickes Brett. Verantwortung und Augenmaß muss einer schon haben, der gegen so viele Widerstände an seinen politischen Zielen festhält, vor allem aber die Leidenschaft, die Max Weber als dritte Qualität nennt. Und „Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit, leidenschaftliche Hingabe an eine Sache“, die treibt den Bezirksbürgermeister gewiss an.

Weber hat seinen Vortrag von 1919 vor jungen Menschen gehalten, die von Krieg und Nachkrieg, vom Aufbruch in die neue Demokratie tief bewegt waren. Er beschreibt Berufspolitiker, die hartnäckig und verantwortungsbewusst sein müssen, weder der reinen Gesinnung, noch den bloßen Zwängen des Handelns allein folgen dürfen. Doch in der ambivalenten Spannung zwischen Zupackenden und den Eigenschaften der Selbstmäßigung bescheinigt Weber vor allem denen den „Beruf“ zur Politik, die einer „Leidenschaft“ in der Sache gegen Widerstände und Enttäuschungen folgen. Denn alle Erfahrung bestätige, dass man das Mögliche nicht erreichte, „wenn nicht immer wieder in der Welt nach dem Unmöglichen gegriffen worden wäre“.

Neukölln, der Problembezirk der Nation, als Modell? Da greift einer nach dem „Unmöglichen“. Klar, Heinz Buschkowsky ist Politiker. Kürzlich, nach einer Fernsehdiskussion über Sarrazin, verabschiedet er sich vergnügt: Wissen Sie, was ich mir jetzt gönne? Zwei Stunden Elvis. Natürlich als Fake, im berühmten Estrel, Sonnenallee, Neukölln.

Zur Person

GEBOREN

1948 in Neukölln, hier wächst er auf und wohnt er bis heute.

FAMILIE

Der Vater war Schlosser, die Mutter arbeitete als Sekretärin.

LAUFBAHN

Der ausgebildete Diplom-Verwaltungswirt arbeitete in verschiedenen Senatsbehörden. Seit 1973 SPD-Mitglied. 1985 wurde er SPD-Fraktionschef in der Neuköllner Bezirksversammlung, damals noch eine Hochburg der CDU. Seine erste Amtszeit als Bezirksbürgermeister endete deshalb schnell. Mit der Wahl 2001 beginnt sein Langstreckenlauf in diesem Amt.

Zur Startseite