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Politik: Wer klagt Saddam an?

Die Amerikaner wollen nicht, die UN sollen nicht – und die Iraker haben noch keine Richter für ihn

Wären Menschen in rechtsfreien Räumen freie Menschen, so wäre Saddam Hussein alles andere als ein Gefangener. Der zurzeit berühmteste Häftling der Welt schwebt juristisch gesehen im Orbit. Seine Taten sind zwar nach internationalem Recht strafbar – allerdings ist bisher unklar, welches Gericht ihn auf den Boden holen und verurteilen soll. Nur so viel ist sicher: Es soll ein Prozess nach „internationalen Normen“ werden, wie US-Präsident George W. Bush angekündigt hat. Und die Iraker sollen dabei zumindest mitmachen.

Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat Saddam immerhin den Status eines Kriegsgefangenen nach der Genfer Konvention versprochen. Leider einen Moment zu spät, denn die Saddam- Entlausung, wie sie am Sonntag über Millionen Bildschirme lief, wäre danach als öffentliche Zurschaustellung verboten gewesen. Auch müssen Kriegsgefangene nach dem Krieg freigelassen werden, was sich bei Saddam verbietet. Ohnedies hält die US-Regierung einen Prozess in den USA für unklug. Stattdessen favorisierte man im State Department bislang ein Verfahren vor Ort im Irak, allerdings unter „Beratung“ von US-Juristen.

Als Vorbild aller internationalen Strafprozesse gilt der Nürnberger Kriegsverbrecherprozess. Damals stellten die Siegermächte die Richter, die Anwälte waren Deutsche. Der Einwand seinerzeit, das Gericht verstoße gegen das Rückwirkungsverbot („keine Strafe ohne Gesetz“), dürfte heute ebenso wenig gelten wie damals. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord waren in Deutschland schon im 19. Jahrhundert strafbar, heute sind sie es nach internationalem Recht ohnehin – auch Saddam dürfte davon gehört haben.

Ein vergleichbares Tribunal ist jedoch ohne die Vereinten Nationen kaum denkbar. Die UN könnten es mit einer Resolution ins Leben rufen, allerdings werden die USA etwas dagegen haben. Der internationale Strafgerichtshof in Den Haag entfällt ganz. Denn Saddams schlimmste Taten liegen dafür zu lange zurück.

Die Iraker wollen Saddam selbst verurteilen, möglicherweise zum Tode. Etwas, das die UN niemals mitmachen würden. Seit letzter Woche verfügt der Irak über ein Sondertribunal, das die Funktionäre des alten Regimes aburteilen soll. Ein solches Verfahren hätte sich zumindest nach den Menschenrechten zu richten. Das Gericht muss unabhängig und unparteiisch sein, die Verhandlung öffentlich. Skepsis ist erlaubt. Ausgebildete Richter, die diese Kriterien erfüllen, werden im Irak kaum zu finden sein.

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