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Politik: Wer sind die wahrhaft Sozialen?

Der Arbeitnehmerflügel der Union kritisiert den Wahlkampf – und hat Angst vor Schwarz-Rot

Berlin - Nach dem schlechten Ergebnis der Union bei der Bundestagswahl kritisieren führende CSU-Politiker und Vertreter des CDU-Arbeitnehmerflügels die Wahlkampfstrategie. „Wir hätten mehr Emotionalität in unseren Wahlkampf legen sollen“, sagte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Die Union müsse wieder näher an die Menschen heran. „Wir dürfen bei aller Reformeuphorie die Sorgen und Ängste der Menschen nicht vergessen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe im Bundestag, Gerald Weiß (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Die Union muss in Zukunft ihr sozialpolitisches Profil deutlicher machen, als uns das im Wahlkampf gelungen ist.“

Der CDU-Sozialflügel wollte am Freitag bei einer Sitzung des Bundesvorstands die Fehler analysieren, die im Wahlkampf gemacht wurden – und über Konsequenzen beraten. In der CSU-Landesgruppe haben mehrere Abgeordnete nach Berichten von Teilnehmern bereits am Dienstag moniert, dass die soziale und emotionale Schiene in den Auseinandersetzungen mit der SPD nicht deutlich genug geworden sei. „Wenn wir gewusst hätten, dass von der Abschaffung der Steuerfreiheit der Nacht- und Feiertagszuschläge 14 Millionen Menschen betroffen sind, hätten wir das nicht mitgetragen“, soll einer der Parlamentarier in der Sitzung gesagt haben.

Für den Fall, dass eine große Koalition zustande kommt, warnt der CDU-Arbeitnehmervertreter Weiß vor einer einseitigen Arbeitsteilung: „Es wäre ungerecht, wenn die SPD für die soziale Ordnung zuständig ist und die Union für die Ökonomie.“ Die Union sei schließlich eine Volkspartei, die für die soziale Marktwirtschaft eintrete – das finde sich auch im Wahlprogramm von CDU und CSU wieder. Der bayerische Staatsminister Thomas Goppel (CSU) versicherte, die Union brauche die SPD nicht als „Taktgeber“ für die sozialen Themen. „Die CSU ist Garant für das Soziale“, sagte er dem Tagesspiegel.

Auch wenn der Wahlkampf von verschiedenen Unionspolitikern nun genau unter die Lupe genommen wird, steht Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel nicht direkt in der Kritik. Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) räumte im „Handelsblatt“ ein, die Union habe es der SPD „zu leicht gemacht, uns der sozialen Kälte zu bezichtigen“. Es sei jedoch „Unsinn“, Merkel dafür verantwortlich zu machen. Stewens wies darauf hin, das Wahlprogramm sei in allen Gremien von CDU und CSU einstimmig beschlossen worden. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos versicherte am Freitag, die Union stehe geschlossen hinter der Kanzlerkandidatin. Er dementierte, dass CSU-Chef Edmund Stoiber die „herzlose Sprache“ von CDU-Chefin Merkel attackiert habe. Die Union steht derzeit geschlossen hinter Merkel, weil sie sonst die Verhandlungsposition in den Gesprächen mit der SPD deutlich schwächen würde.

Glos forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zum Rückzug auf. Er warf Schröder vor, er verhalte sich „wie jemand, dem die Wohnung gekündigt worden ist, der aber nicht ausziehen will – und dem nun die Zwangsräumung droht“. Der Kanzler solle sich wie sein Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zurückziehen. Dem Land müsse eine lange Hängepartie und damit Stillstand erspart bleiben. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller schloss eine große Koalition ohne Schröder am Freitag nicht aus. Auf die Frage, ob Schröders Kanzlerschaft Bedingung sei, sagte er: „Das heißt, dass wir erst mal mit diesem Kandidaten ins Feld gehen.“ Alles andere sei eine Frage von Verhandlungen. Auch Bremens Bürgermeister Henning Scherf hatte vor Vorfestlegungen auf Personen gewarnt. Nachdem Müller aus der der nordrhein-westfälischen SPD scharf kritisiert wurde, relativierte er später seine Aussage und bekannte sich zu Schröders Führungsrolle.

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