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Werner Schulz, die Grünen: "Westerwelle kennt Russland nicht"

Der Grünen-Politiker Werner Schulz kritisiert Westerwelles Kurs in Russland – und mahnt Aussöhnung Osteuropas mit Moskau an.

Berlin - Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz hat die Russlandpolitik von Außenminister Guido Westerwelle scharf kritisiert. „Das Verhältnis zu Russland ist unterbelichtet“, sagte Schulz dem Tagesspiegel. „Der Außenminister kennt das Land nicht und scheint sich nicht sonderlich dafür zu interessieren.“ Westerwelle spreche zwar von einer strategischen Partnerschaft mit Russland, doch sei nicht klar, was er darunter verstehe. Stattdessen befasse er sich lieber mit innenpolitischen Debatten. „Er sollte sich mehr um die Dissidenz in Russland als um die spätrömische Dekadenz kümmern“, sagte Schulz in Anspielung auf Äußerungen Westerwelles zu Hartz IV.

Die Europäische Union verhandelt mit Moskau derzeit über ein Modernisierungsabkommen, das den Rahmen für die künftigen Beziehungen bilden soll. Die Verhandlungen gestalteten sich aber schwierig, sagte Schulz. Die EU und Russland hätten zwar viele gemeinsame Interessen. „Ich habe aber immer mehr Zweifel, dass wir wirklich die gleichen Werte haben.“ In den Bereichen Wirtschaft und Technologie sei man sich schnell einig, daran habe der Kreml großes Interesse. Sobald es jedoch um gesellschaftliche Fragen wie die Entwicklung der Demokratie und die Menschenrechte gehe, blockiere die russische Seite. „An dieser Stelle dürfen wir nicht lockerlassen“, mahnte Schulz.

Wenn die russische Regierung über Visafreiheit reden wolle, müsse auch das Recht auf Versammlungsfreiheit auf die Tagesordnung. „Freiheit nach außen muss auch mit Freiheit nach innen einhergehen.“ Die russische Verfassung garantiert zwar das Versammlungs- und Demonstrationsrecht, doch faktisch existiert es nur auf dem Papier, da oppositionelle Kundgebungen immer wieder verboten werden. In Russland demonstriert deshalb ein breites Bündnis an jedem 31. eines Monats für die Versammlungsfreiheit, Artikel 31 der Verfassung. „Dass man sich seine Grundrechte, seine Freiheit erstreitet, notfalls auf der Straße – das ist eine Kraft, die nicht zu unterschätzen ist“, sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler Schulz, der sich an die Demonstrationen von damals erinnert fühlt.

Innerhalb der Europäischen Union gebe es noch immer keine geschlossene Haltung gegenüber Russland, sagte Schulz. Während der Westen zum Teil bereitwillig, zum Teil „leichtgläubig“ sei, gebe es in den osteuropäischen Staaten nach wie vor tief sitzende Ressentiments. Zwischen Polen und Russland sei nach dem tragischen Unglück in Smolensk einiges in Gang gekommen. 65 Jahre nach Kriegsende sprach sich Schulz für eine Aussöhnung zwischen den Staaten Osteuropas mit Russland und eine gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte aus: „Wir müssen an der Versöhnung im Osten arbeiten.“ Niemand könne sich heute vorstellen, dass es noch einmal zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Frankreich kommen könnte. „Dieses Grundvertrauen, dass man gegenseitig auf Gewalt verzichtet, haben wir im Osten noch nicht erreicht.“ Den russischen Einmarsch in Georgien und die Ankündigung Moskaus, künftig eigene Bürger im Ausland schützen zu wollen, hatten etwa die baltischen Staaten mit großer Sorge gesehen.

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