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Politik: Werte und Taten

Gedanken zum künftigen Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands / Von Matthias Platzeck

Politik braucht Orientierung über den Tag hinaus. Das gilt in Zeiten des Wandels umso mehr. Darum wird die deutsche Sozialdemokratie im Herbst 2007 ein neues Grundsatzprogramm verabschieden. Der Diskussionsprozess läuft schon seit einiger Zeit. Dass sich unsere konservativen Koalitionspartner im Bund nun auch dazu entschieden haben, neue Programme zu erarbeiten, zeigt, wie groß das Bedürfnis nach Selbstvergewisserung und Orientierung in der deutschen Politik ist. Die SPD steht bereits auf dem Spielfeld, CDU und CSU kommen nun hinzu. Wir freuen uns auf diesen Wettbewerb der Ideen.

Am Anfang einer Selbstvergewisserung stehen die eigenen Werte. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind die gleichrangigen Grundwerte der SPD. Daran wollen wir nicht rütteln. Aber wir werden eine Diskussion darüber zu führen haben, was wir unter ihnen verstehen. Von Freiheit reden viele. Für die Wirtschaftsliberalen bedeutet Freiheit kaum mehr als das Recht des Stärkeren. Aufgeklärte Konservative wissen zwar, dass Freiheit ohne Verantwortung für sich selbst und andere nicht funktioniert. Aber auch sie weichen der Frage aus, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Freiheit für alle Menschen verwirklicht werden kann. Nur wer über Möglichkeiten und Fähigkeiten verfügt, kann auch wirklich frei sein. Hier kommen Gerechtigkeit und Solidarität als gleichrangige Werte ins Spiel. Das unterscheidet uns von Konservativen und Liberalen.

Unser Bild vom Menschen wurzelt in den Ideen der Aufklärung, des Humanismus und des Christentums. Jeder Mensch ist gleich und trägt Verantwortung für sich selbst und für andere. Für Sozialdemokraten ist aus diesem Menschenbild schwerlich abzuleiten, dass es zwei Klassen von Krankenversicherten gibt und nach Vorstellung der anderen Volkspartei auch weiterhin geben soll.

Der Prüfstein programmatischer Grundwerte muss also sein: Dienen sie der Begründung einer in die Zukunft gerichteten Politik oder ummanteln sie eine Grundhaltung, die bestehende Unfreiheiten und Ungerechtigkeiten legitimiert, zumindest aber nicht beseitigen will? Für mich sind Grundwerte das Begründungsfundament einer programmatisch ausgerichteten Politik. Aus ihnen leiten sich die politischen Ziele und Handlungsfelder ab.

Erstens müssen wir Antworten auf die neuen sozialen Fragen formulieren, mit denen wir konfrontiert sind. Neben der Alterung unserer Gesellschaft ist die soziale Ausgrenzung bestimmter Gruppen die akute Frage unserer Zeit. Diese Ausgrenzung äußert sich in Kinderarmut ebenso wie in Langzeitarbeitslosigkeit. Wir wissen längst, dass wir diese Probleme mit Geldzahlungen allein nicht lösen können. Die Befähigung des Einzelnen, in einer dynamischen Gesellschaft zurechtzukommen, wird immer wichtiger. Ein Wettbewerb der Ideen sollte beispielsweise darüber geführt werden, wie es gelingen kann, den Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss zumindest zu halbieren.

Zweitens spüren wir alle, vor allem ein großer Teil der Arbeitnehmer, den Druck, der sich aus der wirtschaftlichen Globalisierung ergibt. Die wirtschaftliche Integration über nationale Grenzen hinweg ist eine Chance für mehr Wohlstand in allen Teilen der Welt, sofern der Markt in Rahmenbedingungen eingebettet wird. Die Kernfrage lautet hier: Findet die Politik neue Wege, um die Globalisierung aktiv zu gestalten? Sind wir bereit, neue Standards durchzusetzen, damit der internationale Wettbewerb als Qualitäts- und nicht als Dumpingwettbewerb geführt wird? Konkret bedeutet dies – um ein Beispiel zu nennen –, im Rahmen der Europäischen Union die Regelung von Mindeststeuersätzen anzustreben, um Steuerdumping zu verhindern.

Drittens sind unsere Werte Handlungsmaxime sozialdemokratischer Außenpolitik. Das bedeutet, dass wir auf Grundlage eines umfassenden Sicherheitsbegriffes handeln, der Frieden nicht nur als Abwesenheit von Krieg begreift. Wir wollen starke internationale Organisationen, eine Bindung der Staaten ans Völkerrecht. Dafür sind weltweite und regionale Abrüstungsinitiativen ebenso notwendig wie eine gerechte Teilhabe aller Menschen am Wohlstand unserer einen Welt. Wir wenden uns gegen eine Militarisierung des Denkens und gegen jene, die apokalyptische Szenarien eines Kulturkampfes beschwören. Die Menschenrechte gelten für uns in all ihren Dimensionen universell. Wir vertreten sie auch gegenüber unseren Freunden, so z. B., wenn wir die Gefangenenlager in Guantanamo kritisieren. Wir wollen Deutschland weiter als Friedensmacht positionieren.

Matthias Platzeck (52) ist seit November vergangenen Jahres Vorsitzender der SPD. Seit 2002 ist er Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Zuvor war er Oberbürgermeister in Potsdam.

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