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Island Proteste

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West-Erweiterung: EU will Island einen Turbo-Beitritt ermöglichen

Die EU will Island nach einem Beitrittsgesuch im Eiltempo möglicherweise schon 2011 aufnehmen. Die Einwohner des Inselstaats halten eine Aufnahme in die Europäische Union für den einzigen Weg, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen - die Regierung ist noch gespalten.

In Reykjavik brüteten die Parteien der neuen isländischen Linksregierung noch über dem Koalitionsvertrag, da kam am Freitag schon eine freundliche Einladung aus Brüssel: Man wolle die Inselrepublik im Atlantik liebend gerne im Expresstempo als 29. Mitgliedsland aufnehmen, ließen EU-Kreise um Erweiterungskommissar Olli Rehn am Freitag über den britischen "Guardian" verbreiten. Vielleicht sogar schon 2011 und zugleich mit dem langjährigen Beitrittskandidaten Kroatien, hieß es weiter.

Vielleicht sollte das der Sozialdemokratin Jóhanna Sigurdardóttir beim mühseligen Geschäft helfen, als künftige Regierungschefin ihre Koalitionspartner von den Rotgrünen doch noch irgendwie in das erwünschte Speedboat Richtung EU-Mitgliedschaft zu hieven. Denn während die Sozialdemokraten den schnellstmöglichen Beitritt für die einzig denkbare Rettung aus der auf Island ganz besonders akuten Finanzkrise halten, gehören die Rotgrünen traditionell und immer noch zu den Beitrittsgegnern.

"Eigentlich wäre doch eine Währungsunion mit Norwegen für uns das Natürliche", meinte der rotgrüne Parteichef Steingrimur Sigfússon. Als Finanzminister der neuen Übergangsregierung soll der populäre Linkspolitiker dafür sorgen, dass Islands seit anderthalb Jahren weitgehend wertlos gewordene Mini-Währung wieder an Kaufkraft gewinnt.

EU als einziger Ausweg

Fast zwei Drittel der von 18 Prozent Inflation und 18,6 Prozent Leitzinsen gebeutelten Bürger auf der Insel halten die EU-Mitgliedschaft für den einzigen Weg, um diese Zahlen wieder in erträgliche Bereiche zu drücken. Das erscheint ihnen viel wichtiger als die Souveränität über heimische Fischereirechte - bisher das gewichtigste Argument gegen einen Beitritt. In Reykjavik gilt als sicher, dass die Rotgrünen längerfristig ihre ablehnende Haltung zum EU-Beitritt revidieren. In den Verhandlungen mit den Sozialdemokraten nach dem Zusammenbruch der großen Koalition unter dem konservativen Regierungschef Geir Haarde aber bremsten sie doch weiter spürbar ab.

Sie bewegte eher die Frage, wie sie ihre gigantisch hohen Umfragewerte möglichst schnell in Wählerstimmen ummünzen können. Denn während die Sozialdemokraten als bisherige Regierungspartei in den Augen der 320.000 Inselbürger Mitverantwortung für den totalen Zusammenbruch des heimischen Banksektors tragen, haben die Rotgrünen vor den Kreditabenteuern erfolgshungriger Banker stets gewarnt. Deshalb wollen jetzt über 30 Prozent der Wähler für diese Partei stimmen, die bei den letzten Wahlen im Mai 2007 mit 14,3 Prozent knapp die Hälfte davon bekommen hatte.

Thomas Borchert[dpa]

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