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In der nigerianischen Stadt Kano ist ein deutscher Ingenieur entführt worden.

© AFP

Update

Westafrika: Deutscher Ingenieur in Nigeria entführt

Zum ersten Mal ist ein Deutscher, der für die Baufirma Bilfinger und Berger arbeitet, im Norden Nigerias entführt worden. Dort bombt die Islamistengruppe Boko Haram seit Monaten. Nun hat ihr selbst ernannter Anführer auch mit Entführungen gedroht.

Am Freitag hat das Auswärtige Amt die Entführung eines Deutschen in der Nähe der nordnigerianischen Stadt Kano bestätigt. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, „dass wir nach Lage der Dinge davon ausgehen müssen, dass ein deutscher Staatsangehöriger in Nordnigeria entführt wurde“. Bei der Aufklärung des Falls, an der auch der Krisenstab arbeite, gebe es bislang aber noch keine „substanziellen Fortschritte“ zu berichten.
Der am Donnerstag entführte Ingenieur ist ein Mitarbeiter des Bauunternehmens Bilfinger Berger. Ein Konzernsprecher bestätigte am Freitag, dass es sich um einen nach Nigeria entsandten Mitarbeiter ihres Unternehmens handelte. Bilfinger Berger stehe deswegen in „direkter Verbindung“ mit dem Auswärtigen Amt. Das nigerianische Tochterunternehmen von Bilfinger Berger heißt Julius Berger. Das große blaue B ist nicht nur in der Hauptstadt Abuja allgegenwärtig. Berger gehört zu den größten Baukonzernen in Nigeria.

Die nigerianische Polizei hatte mitgeteilt, der Ingenieur sei in einem Vorort von Kano verschleppt worden. Zunächst hatte es geheißen, er habe für ein nigerianisches Bauunternehmen gearbeitet. Insgesamt drei Angreifer hätten den Deutschen gefesselt, in den Kofferraum ihres Wagens gesteckt und seien weggerast, sagte ein Sprecher. Wer hinter der Entführung stecke, sei unklar.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Julius Berger mit einer Entführung eines Mitarbeiters konfrontiert sieht. 2006 und 2008 waren schon einmal Berger-Mitarbeiter in Nigeria entführt worden, allerdings noch nie im Norden des Landes sondern immer im Nigerdelta. Dort arbeitet Berger für Ölkonzerne, die im Süden Nigerias seit mehr als 50 Jahren Erdöl fördern. Weil sie dabei wenig Rücksicht auf die Umwelt nehmen, haben sich immer wieder neue Protestbewegungen und Rebellengruppen gebildet. In dem Gebiet gibt es hunderte Lecks in Ölpipelines oder Öl, das direkt bei der Förderung in das ökologisch sensible Nigerdelta fließt. Mitte des vergangenen Jahrzehnts kämpften mehrere Rebellengruppen für eine größere Teilhabe an den Öleinnahmen und gegen die fortgesetzte Umweltverschmutzung durch Ölkonzerne wie Shell, Agip oder Chevron. 2006 wurde ein deutscher Berger-Mitarbeiter von einer damals unbekannten Rebellentruppe "Bewegung für die Menschen im Nigerdelta" entführt, die mit dem Mann den wegen Korruption inhaftierten Gouverneur von Bayelsa, Diepreye Alamieyeseigha, und einen ehemaligen Rebellenführer aus dem Nigerdelta, Mujahid Dokubo-Asari, freipressen wollten. Zwei Wochen später war der Mann wieder frei. Auch die Entführung 2008 verlief glimpflich. Schon nach wenigen Stunden war der Mitarbeiter wieder freigekommen. Im Nigerdelta hatte sich eine regelrechte Entführungsindustrie herausgebildet. Nicht nur ausländische Ölarbeiter fielen den Rebellen oder kriminellen Banden zum Opfer, auch tatsächlich oder auch nur vermeintlich wohlhabende Nigerianer waren nicht mehr sicher. Seitdem der Vorgänger des aktuellen Präsidenten Goodluck Jonathan, der 2010 verstorbene Umaru Yar Adua den Rebellen im Nigerdelta eine Amnestie und Jobs angeboten hatte, ist es dort wieder etwas ruhiger geworden. Die Islamistengruppe Boko Haram droht mit weiteren Anschlägen

Die Millionenstadt Kano war erst vor einer Woche von einer Serie von 30 zeitgleichen Angriffen der Islamistengruppe Boko Haram erschüttert worden. Es gab aber bisher keinen Hinweis darauf, dass die Gruppe auch für die Entführung des Deutschen verantwortlich ist. Jedoch drohte Boko Haram in einer am Donnerstag auf der Internetplattform Youtube veröffentlichten Tonbotschaft mit weiteren Gewalttaten. Darin äußerte sich offenbar der selbst ernannte Sektenführer Abubakar Shekau, der sich zuvor schon einmal per Youtube zu Wort gemeldet hatte. Er übernahm die Verantwortung für die Anschlagsserie in Kano am 20. Januar, bei der mindestens 185 Menschen getötet worden waren. „Wir waren verantwortlich“, sagte die Stimme in dem Video, in dem ein Foto von Shekau gezeigt wird. „Ich habe es angeordnet und werde diesen Befehl wieder und wieder geben.“ Zuvor hatte bereits ein mutmaßlicher Sprecher von Boko Haram die Verantwortung für die Bombenanschläge und Angriffe mit Schusswaffen in Kano übernommen. Die Hauptziele waren Polizeiwachen. Die Echtheit der Botschaft auf Youtube konnte zunächst nicht überprüft werden. Stimme und Foto stimmten aber mit der vorangegangenen Botschaft Shekaus überein. Bei den Angriffen waren auch einige inhaftierte mutmaßliche Boko-Haram-Anhänger befreit worden. Andere starben im Polizeigewahrsam, als die Bomben explodierten.
In der neuen Botschaft sagte Shekau, die Sicherheitskräfte seien angegriffen worden, „weil unsere Mitglieder festgenommen und gefoltert wurden“. „Auch unsere Frauen und Kinder wurden festgenommen“, fügte der Mann hinzu und drohte mit Rache: „Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass auch sie Frauen und Kinder haben. Wir können sie entführen. Das liegt nicht außerhalb unserer Fähigkeiten.“

Nigerias Präsident Goodluck Jonathan hat die Gruppe am Donnerstag aufgefordert, sich zu erkennen zu geben. Nur dann sei ein Dialog möglich. Er sagte: „Militärische Gewalt allein wird die Terroranschläge nicht beenden.“ Nötig sei auch eine “Umgebung, in der die jungen Leute Arbeit finden“. (mit AFP)

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