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Politik: „Westerwelle betreibt Populismus“

Zentralrat der Juden wütend über FDP-Chef wegen Haltung zu Libanon-Einsatz

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Berlin - Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, hält nichts von der Ablehnung der ersten Bundeswehrmission im Nahen Osten durch FDP-Chef Guido Westerwelle. Einen Tag vor der Bundestagsdebatte zum ersten Einsatz der deutschen Soldaten sagte Kramer am Montag dem Tagesspiegel: „Was Westerwelle hier betreibt, ist Populismus, der sehr stark an den Versuch von Jürgen W. Möllemann erinnert, bestimmte Wählerschichten an sich zu ziehen.“ Dem inzwischen verstorbenen früheren FDP-Vize Möllemann war vorgeworfen worden, auch mit antisemitischen Ressentiments für seine Partei Wahlkampf zu machen.

Kramer warf Westerwelle vor, es sei „ein falsches vorgeschobenes Argument“, jeden Einsatz deutscher Soldaten im Nahen Osten vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte grundsätzlich auszuschließen. Politiker, für die das Existenzrecht Israels „nicht nur ein Lippenbekenntnis“ sei, müssten den Einsatz deutscher Truppen im Nahen Osten prüfen. Kramer betonte, „dass sich die Sicherheit Israels nicht von alleine verteidigt“. Kramer warf dem FDP-Chef zudem vor, er breche mit den Traditionen bundesdeutscher Außenpolitik, indem er seine Fraktion frühzeitig und ohne Abstimmung mit anderen Parteien auf den Ablehnungskurs festgelegt habe. Auch mehrere FDP-Abgeordnete äußerten sich kritisch zu Westerwelles Ankündigung. Der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel griff die Argumentation seines Parteichefs scharf an.

Die Spitze des Zentralrates der Juden versuchte inzwischen zu beschwichtigen. Dem Vernehmen nach teilte Präsidentin Charlotte Knobloch Teilnehmern einer Fraktionssitzung am Montagabend telefonisch mit, Kramers Vorwurf sei nicht die Position des Zentralrates.

Für die Entsendung der deutschen Marine zeichnete sich unterdessen in den Sondersitzungen der Bundestagsfraktionen am Montagabend eine große Mehrheit ab, die über die Reihen der Koalition hinausreicht. Eine deutliche Mehrheit der Grünen-Abgeordneten will am Mittwoch für den deutschen Beitrag zur UN–Friedenstruppe für den Libanon (Unifil) stimmen.

Union und SPD erwarten nur vereinzelte Gegenstimmen aus den Koalitionsfraktionen. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte am Montagabend in Berlin, er gehe lediglich von „einigen wenigen Gegenstimmen“ aus. Es werde eine „große, deutliche Zustimmung geben“. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, er habe den Eindruck, dass die Abgeordneten von CDU und CSU mit einer „breiten Mehrheit zustimmen werden“.

FDP-Chef Westerwelle sagte nach einer Probeabstimmung der Fraktion der Liberalen, es habe eine „sehr eindeutige“ Entscheidung gegen den Einsatz deutscher Truppen im Libanon gegeben. Nur noch sechs Abgeordnete setzten sich für den Einsatz ein, sagte Westerwelle weiter. Neben den Liberalen hatte auch die Linksfraktion angekündigt, im Bundestag gegen den neuen Auslandseinsatz zu stimmen.

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