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Politik: Westerwelle will Europa voranbringen

Auf deutsche Einladung debattieren neun Außenminister die Zukunft der EU.

Von Hans Monath

Berlin - In der Europäischen Union (EU) rufen Einladungen zu Sondergremien auf deutsche Initiative häufig das Misstrauen nicht eingeladener Partner hervor. Trotzdem will Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die EU nun mit einem exklusiven Treffen in Berlin voranbringen. Gemeinsam mit acht EU-Kollegen versucht der Minister am heutigen Dienstag im Gästehaus des Auswärtigen Amtes (AA), der Villa Borsig, eine „strategische Debatte über die Zukunft des Europäischen Projekts anzustoßen“, wie es im AA heißt.

In Westerwelles Ministerium werden Befürchtungen zurückgewiesen, nicht eingeladene Partner könnten verprellt werden. Schließlich liege die Debatte über eine politische Weiterentwicklung Europas nach der Stabilisierung des Euro „in der Luft“, von Deutschland werde dabei eine zentrale Rolle erwartet, sagen Diplomaten. Zudem handle es sich nicht um förmliche Regierungskonsultationen. Die Außenminister würden „auf persönlicher Basis“ und damit gleichsam als Privatpersonen an dem Treffen teilnehmen. Tatsächlich hatte etwa Polens Außenminister Radoslaw Sikorski im Dezember erklärt, mehr als vor deutscher Führung bei der Eurostabilisierung fürchte er sich nur davor, dass Deutschland nicht führe.

Bei dem Berliner Treffen werden die Außenminister Belgiens, Luxemburgs, der Niederlande, Italiens, Spaniens, Polens, Portugals und Österreichs erwartet. Die Chefdiplomaten Frankreichs und Dänemarks sind verhindert. Die neun Politiker verfolgen offenbar auch das Interesse, ihren Einflussbereich wieder zu erweitern, den sie mit dem Lissabon-Vertrag und in der Eurokrise verloren haben, in der die Staats- und Regierungschefs sowie die Finanzminister zentrale Akteure waren.

Die Teilnehmer des Treffens wollen in einer informellen Diskussion über Integrationsfortschritte in Sachfragen, die Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU, mehr Demokratie und den globalen Einfluss Europas sprechen. Auch über „institutionelle Kernfragen“ wie die Stärkung des Europaparlaments könne bei diesem und weiteren Treffen geredet werden.

Die Einladung Westerwelle zur „Zukunftsgruppe“ ist Teil neuer europapolitischer Anstrengungen des FDP-Politikers, der kürzlich die Direktwahl eines EU-Präsidenten gefordert und eine gemeinsame EU-Verfassung vorgeschlagen hatte. Die neue Initiative sei unabhängig vom Verfassungsvorschlag des Politikers zu sehen, heißt es im AA.

Vor rund drei Wochen hatte der Minister dem Kabinett ein „Konzept für die Europakommunikation 2012“ präsentiert. Das AA sagt darin den Euroskeptikern im Inland und Tendenzen zur Renationalisierung in der EU den Kampf an und kündigt öffentliche Werbeveranstaltungen („Townhall-Meetings“) in Schulen, Universitäten und im Internet an. Westerwelle will nicht nur in der EU, sondern darüber hinaus global für Europa werben.

Die Strategie, die Diskussion über Europas Zukunft auf informellem Weg voranzubringen, hatte schon Westerwelles Vorvorgänger Joschka Fischer (Grüne) verfolgt. Im Mai 2010 warb er in der Berliner Humboldt-Universität als Privatperson dafür, dass besonders integrationswillige Mitgliedstaaten die EU zu einer Föderation weiterentwickeln sollten. Die Anregung zu einem weiteren Souveränitätsverzicht wurde zwar in den wichtigen Hauptstädten der EU abgelehnt, setzte aber eine Diskussion in Gang, die in einem Verfassungskonvent mündete. Anders als Fischer will Westerwelle die informellen Vorschläge nun gemeinsam mit gleichgesinnten Partnern erarbeiten.

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