zum Hauptinhalt

Politik: Westerwelle will FDP-Chef werden

Von Bernd Ulrich Das Projekt 18 ist tot. Es war der Versuch, das Spektrum der FDP binnen kürzester Zeit so zu verbreitern, dass man die Protestwähler holt, ohne die bürgerlichen Stammwähler zu verlieren.

Von Bernd Ulrich

Das Projekt 18 ist tot. Es war der Versuch, das Spektrum der FDP binnen kürzester Zeit so zu verbreitern, dass man die Protestwähler holt, ohne die bürgerlichen Stammwähler zu verlieren. Der Versuch ist aus einem einfachen Grund gescheitert: Guido Westerwelle wollte den Ausbruch aus dem Gefängnis liberaler Begrenztheit über den Spaß, die kontrollierte Provokation. Möllemann beschritt einen radikaleren Weg, er testete aus, wie weit man mit antisemitischen Tönen kommen kann. Damit hat er bürgerliche Wähler verprellt und die Partei in die Spaltung getrieben.

Er kämpft nicht allein gegen alle, sondern mit dem größten Landesverband gegen die alte FDP, gegen Genscher und Lambsdorff. So verlieren die Liberalen auf beiden Seiten, bei Zahnärzten und bei Campern. Das Projekt 18 ist tot, zerstört von ihrem Erfinder: Möllemann.

Um nun zurückzukehren zur Bürgerlichkeit (plus guidomobilem Pepp) braucht sie einen starken, locker-souveränen Vorsitzenden. Den verhindert Möllemann, indem er sein Tabuspiel weitertreibt. Er dementiert die antisemitischen Sprüche und protzt zugleich damit, dass ihm diese Sprüche neue Mitglieder gebracht haben. Möllemann ist offenbar zu alt, um geduldig zu sein.

Westerwelle hingegen ist zu jung, um stark zu sein. Der FDP-Vorsitzende und, man darf wohl sagen: ehemalige Kanzlerkandidat ist eine der größten politischen Begabungen Deutschlands. Er ist der erste seiner Generation, der unter die Big-Shots der Politik vorgestoßen ist. Jetzt, unter diesem immensen Druck, zeigen sich die Schwächen seines schnellen Wachstums: Westerwelle war Zeit seines Lebens ein Oppositioneller. Er hat opponiert gegen die, aus seiner Sicht, spießigen, langweiligen Alten, die die FDP in den 90er-Jahren fast in Wohlanständigkeit und Angepasstheit hätten ersticken lassen. Und er opponierte gegen die 68er mit ihrem Gesinnungsdruck, mit ihrer moralisierenden Art, Debatten zu dominieren. Das Ringen mit diesen zwei Farben grau hat Westerwelle oft rasend gemacht vor Ungeduld.

Gegen die eigenen Alten hat er den Versuch unternommen, die Partei programmatisch neu zu profilieren. Es war ein gutes Programm, aber es verriet auch seine Schwäche: Er glaubte, Moral, Geschichte und Prinzipien seien auch nur Optionen, unter denen man je nach Lage wählen könne. Und gegenüber den 68ern war Westerwelle so furchtbar im Recht, dass er es versäumte, ihnen in puncto deutscher Geschichte etwas entgegenzusetzen. Westerwelle hat nicht verstanden, dass es beim Thema Auschwitz nicht um oppositionelle Posen geht, sondern um die Substanz. Noch kurz vor seiner Israel-Reise behauptete er, seine Generation habe neue Antworten auf Auschwitz. Was für eine alberne Anmaßung. Fünfzig Jahre lang haben die klügsten und sensibelsten Menschen sich durch dieses Menschheits- und Deutschentrauma hindurchgearbeitet und hindurchgedichtet. Und dann kommt Westerwelle und will alles ganz anders sehen, die Klassik mal eben neu erfinden.

Diese Generation kann sich Auschwitz und den Kulturschatz, der dagegen entstanden ist, anders aneignen, aber nur mit Bescheidenheit und Sorgfalt. Wenn man oben angekommen ist, im Fahrersitz der Politik, reicht es nicht mehr, wieder und wieder über linke Lehrer und schuldverliebte Gutmenschen zu siegen, dann muss man wissen, an welcher Stelle der Geschichte man steht. Westerwelle wusste es nicht, sonst hätte er Möllemann rechtzeitig gestoppt. Die Einsicht, wenn es denn nicht nur neuerliche Taktik war, kam zu spät. Nun muss Westerwelle die FDP retten, indem er sich selbst rettet. Das geht nicht mehr, ohne die Möllemania zu beenden, nicht ohne dass Westerwelle erstmals ein existenzielles Risiko eingeht.

Die FDP braucht, schon weil sie keinen anderen hat, Westerwelle. Der hat in den letzten Wochen etwas Neues gelernt: Opportunismus und Geschmeidigkeit können an den Rand des Abgrunds bringen. Daraus hat er gestern, beschämend spät, Konsequenzen gezogen und Möllemann ein Ultimatum gestellt. Der Kampf um die FDP geht in die entscheidende Phase. Westerwelle kann ihn gewinnen, wenn er jetzt entschlossen ist und einen Sonderparteitag nicht scheut. Er kann Möllemann besiegen. Aber sicher ist das nicht.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false