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Schwarzer Anzug, schwarze Krawatte. Über Afghanistan redete Westerwelle im Bundestag in ernstem Ton.

© REUTERS

Westerwelles Auftritt im Bundestag: Freidemokratische Kampfhandlungen

Im Bundestag gibt Außenminister Guido Westerwelle beherrscht und konzentriert die Regierungserklärung zur Lage in Afghanistan ab - danach trommelt er in seiner Partei die Truppen zusammen.

Von Robert Birnbaum

Guido Westerwelle ist zur falschen Zeit am ziemlich falschen Ort, und wahrscheinlich weiß er das. In der FDP schachern sie offen um den Kopf des Parteivorsitzenden. Aber an diesem Donnerstagmorgen muss der Bundesaußenminister im Bundestag die Regierungserklärung zur Lage in Afghanistan abgeben. Westerwelle trägt schwarzen Anzug und schwarze Krawatte und ernsten Ton. Er hält eine Rede, die er selbst „nüchtern“ nennt, sehr beherrscht, sehr konzentriert, sehr außenministeriell. Die folgenden eineinhalb Stunden wird er die Debatte an sich vorbeirauschen lassen, fast reglos in der Regierungsbank. Danach aber wird er seine Leute zusammentrommeln und wird in sein Gefecht ziehen.

Die freidemokratischen Kampfhandlungen eröffnet hat Wolfgang Kubicki. Den einstigen Möllemann-Intimus aus Schleswig-Holstein konnten Westerwelle und die seinen noch als chronischen Meckerer mit schlechten Umgangsformen abtun. Doch Anfang der Woche meldete sich ein Mann zu Wort, den in der Bundespolitik kein Mensch kennt. Der rheinland-pfälzische Spitzenkandidat Herbert Mertin widersprach der FDP-Zentrale: Er habe den Parteivorsitzenden nicht für Rednerauftritte im Landtagswahlkampf angefordert. Mertin muss damit rechnen, dass seine Partei am 27. März gar nicht erst bis in den Mainzer Landtag kommt. Tags darauf legte er nach: Westerwelle sei ein „Klotz am Bein“ der Partei.

Das Bemerkenswerteste an dieser Attacke war, wer dazu schwieg. Der Landesvorsitzende von Rheinland-Pfalz heißt Rainer Brüderle. Am Donnerstag meldet er sich schließlich zu Wort. „Eine vernünftige Sacharbeit ist jetzt das Wichtigste, um Deutschland weiter voranzubringen“, erklärt der Bundeswirtschaftsminister der Deutschen Presse-Agentur, und: „Wir haben als Team gewonnen und werden als Team die schwierige Lage meistern.“

Das Interessanteste an dieser Erklärung ist schon wieder, wozu sie nichts sagt. Zu seinem Statthalter in Rheinland-Pfalz, zum Beispiel. Nun kann der Westerwelle-Stellvertreter Brüderle freilich auch nicht leugnen, dass er am Dienstagabend in der Parlamentarischen Gesellschaft dabei war, als der „Schaumburger Kreis“ sich traf. Die wirtschaftsnahe Liberalenrunde, der zum Beispiel auch Schatzmeister Hermann Otto Solms, Fraktionsvize Patrick Döring oder der Berliner Martin Lindner angehören, hat getan, was Freidemokraten seit Monaten tun: Sie hat sich über Westerwelles Zukunft Gedanken gemacht. Dass der einstige Superstar zur Belastung geworden ist, ist Gemeingut in der FDP. In den Wahlkampfländern, beschreibt ein führender Liberaler die Rückmeldungen aus der Basis, gelte die FDP bei den Leuten noch halbwegs als wählbar – „aber Westerwelle nicht“.

Auch die „Schaumburger“ debattierten weniger über das Ob, dafür umso ausführlicher über das Wie eines Westerwelle-Sturzes. Sollte man den Parteichef so schnell wie möglich per Sonderparteitag kippen? Nach den Wahlen im Frühjahr beim normalen Mai-Parteitag? Oder nach der Methode „Hotel Atlantic“ – 2001 hatte der Generalsekretär Westerwelle den Parteichef Wolfgang Gerhardt zum Rückzug gezwungen, der in dem Hamburger Hotel gerade seine Rede zum Dreikönigstreffen schrieb. Zu einem Schluss kam die Runde nach Darstellung von Teilnehmern nicht. Da spielt die Sorge mit, dass ein Neuer die drohenden Niederlagen in den Stammländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nicht abwenden könnte und sofort beschädigt wäre. Es fehlt aber auch an Kandidaten für Westerwelles Erbe.

Genauer gesagt fehlt es an Leuten, die bereit wären, einen Namen öffentlich zu nennen. Brüderle hat sich durch sein Verhalten in der Causa Mertin selbst indirekt ins Spiel gebracht. „Er würde sich da bestimmt nicht lange bitten lassen“, spottet ein Spitzenliberaler. Brüderle hat als Minister allerlei Punkte gesammelt; als Verkörperung eines neuen Aufbruchs taugt er freilich eher nicht. Andere Namen sind bei den „Schaumburgern“ gefallen – so Philipp Rösler, der Gesundheitsminister, der indes bisher wenig reüssiert hat.

Ein anderer Name fällt selten. Man kann das als Indiz werten, dass er die einzige wirkliche Alternative wäre, alle das wissen und genau deshalb keiner ihn vor der Zeit verschleißen will. Christian Lindner selbst schweigt auch. Westerwelles Gegenoffensive führt nicht sein jetziger, sondern sein früherer Generalsekretär an. „Es gibt zwei Dinge, die man machen kann: stützen oder stürzen“, sagt Dirk Niebel. Brüderle hat seinem Parteichef die Pistole auf den Tisch gelegt. Niebel überbringt die Forderung zum Duell. Sollen sie sich doch mal trauen! Sein zweiter Satz macht endgültig klar, dass der angeschlagene Chef entschlossen ist zum Gefecht: „Ich kenne keinen besseren Wahlkämpfer als Guido Westerwelle.“

Es sollte also besser niemand darauf hoffen, dass Westerwelle, um wenigstens das Außenministerium für sich zu retten, von selbst den Parteivorsitz abtritt. Damit aber kommt ein Szenario auf, auf das Westerwelle erkennbar setzt: Wenn die Wahlen im Frühjahr wider Erwarten doch noch mal knapp gut ausgehen für die FDP – dann wäre der Moment für den Sturz verpasst. Seine Widersacher fürchten das; vielleicht der Hauptgrund dafür, dass der Kampf jetzt beginnt.

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