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Politik: Wettbewerb kostet

Alle schimpfen über die aufgeblähte Verwaltung der Krankenkassen – und die sagen, die Konkurrenz sei schuld

Von Rainer Woratschka

Wer auf andere zeigt, steht auch selber im Rampenlicht. Die Krankenkassen müssten sich bewusst sein, dass ihre „Ausgabenzuwächse von einer kritischen Öffentlichkeit begleitet werden", mahnte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bei der Präsentation des letztjährigen Kassendefizits im März 2002. Sie hatte allen Grund: Mit 4,6 Prozent pro Patient waren die Verwaltungskosten der Kassen stärker gestiegen als die Ausgaben für Behandlung. Das, so befand die SPD-Politikerin, dürfe nicht so weitergehen.

Tat es aber. Bei der nächsten Halbjahres-Bilanz, Anfang September, beschränkte die Ministerin ihre Kritik zwar auf die Ärzte und deren Verschreibungspraxis. Bloß: Der Kostenanstieg für Arznei belief sich auf 3,9 Prozent, der für Verwaltungskosten auf 4,0 Prozent. 3,6 Milliarden Euro gaben die Versicherer bis Juli für Sachbearbeiter, Repräsentation, Werbung und dergleichen aus. Seit 1989 sind diese Kosten um 52 Prozent gestiegen.

Ist das nötig, muss das sein? Bei den Verwaltungskosten ließen sich „sofort zwei oder drei Milliarden Mark einsparen", meint Unionsexperte Horst Seehofer (CSU). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) freut sich über die politische Schützenhilfe. Würde man den Krankenkassen Controller ins Haus schicken, fänden die, so KBV-Sprecher Roland Stahl, „mit Sicherheit sehr vieles an Sparpotenzial".

Bei den Kassen ist man verärgert. Seehofer setze mit seinen „unpräzisen Wahlkampf-Äußerungen" auf ein vermutetes Vorurteil, sagt AOK-Sprecher Udo Barske. „Was will er denn? Dass wir Geschäftsstellen schließen?" Kassen, die sich intensiv um ihre Versicherten kümmerten, drückten die Behandlungs- und Krankengeld-Ausgaben. „Dafür haben sie höhere Verwaltungskosten."

Tatsächlich, so Joachim Odenbach vom Verband der Innungskrankenkassen, sei der Blick allein auf Kostensteigerungen weder aussagekräftig noch fair. Weil die Kassen nach 1989 in Ostdeutschland eine Infrastruktur aufbauen mussten. Weil ihnen die Politik mit Zusatzaufgaben – aktuell: die Chronikerprogramme – Zusatzkosten beschert. Und weil sich die Kassen seit 1996 auch untereinander dem Wettbewerb zu stellen haben. Letzteres erklärt etwa die weit überdurchschnittliche Kostenexplosion bei den Betriebskrankenkassen – mit einer Steigerung um 9,2 Prozent ließen sie im ersten Halbjahr wieder alle hinter sich. Mit der Öffnung für neue Mitglieder mussten die BKKs, so Verbandssprecher Florian Lanz, auch eigene Verwaltungen aufbauen. Vorher hatten ihnen die Firmen den Bürokram abgenommen.

Bei fünf bis sechs Prozent der Gesamtausgaben lägen die Verwaltungskosten der GKV, sagt AOK-Sprecher Barske. Die Privaten kämen, die Kosten für Vertragsabschlüsse eingerechnet, auf mehr als das Doppelte. Und damit die Kosten für den Wettbewerb nicht überborden, erließen die Aufsichtsbehörden auch hierfür Obergrenzen. Pro Mitglied dürften die Kassen derzeit nicht mehr als 3,52 Euro für Werbung ausgeben.

Doch große Kassen sind auch schwere Tanker. „Wenn uns Mitglieder weglaufen, können wir nicht sofort Personal entlassen", sagt eine Sprecherin des Verbands deutscher Angestellten-Krankenkassen. Von einem Abspecken der teilweise üppigen Vorstandsgehälter indessen ist nicht die Rede. Erst Anfang des Jahres hat das Bundesversicherungsamt den Kassen diesbezüglich die Leviten gelesen. Oft stünden die Gehälter in keinem Verhältnis zur Mitgliederzahl, Vorstände kleiner oder mittelgroßer Kassen verdienten mehr als ein Bundesminister. „Der Gesetzgeber wollte Manager, nicht Verwaltungsangestellte", kontert AOK-Sprecher Barske. Die müsse man auch angemessen entlohnen.

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