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Politik: Wettlauf im Hinterhof

Lateinamerika ist der Schauplatz einer wirtschaftlichen Auseinandersetzung zwischen den USA und China

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Berlin - US-Präsident George W. Bush wird die Stirn in Falten gelegt haben. Chinas Staatsführung hingegen jubiliert. Während die USA in den Nahen und Mittleren Osten schauen, haben sie Lateinamerika in den vergangengen Jahren zunehmend aus dem Blick verloren. Dabei findet dort eine chinesische Revolution statt. Boliviens designierter Präsident Evo Morales traf am Montag auf seiner ersten Auslandsreise mit Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao zusammen. Eine Geste, die mehr als nur Symbolcharakter hat: „Das ist ein wichtiges Zeichen für die enorm gewachsene Bedeutung der chinesisch-lateinamerikanischen Beziehungen“, sagt Detlef Nolte vom Institut für Iberoamerika-Kunde in Hamburg.

Lateinamerika ist zum Schauplatz der wirtschaftlichen Auseinandersetzung zwischen den USA und China geworden. Mit milliardenschweren Handelsverträgen und Investitionen in die Infrastruktur des Kontinents machen die Chinesen den USA als größtem Handelspartner Konkurrenz. Dem Engagement Chinas liege zum einen die Vorstellung einer „multipolaren Welt zu Grunde“, sagt Frank Umbach von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Eine Vorstellung, die sich gegen die USA richte und sich mit dem Interesse der zumeist linksgerichteten Regierungen in Südamerika nach mehr Unabhängigkeit vom großen Bruder im Norden treffe. Vor allem aber werde das chinesische Engagement durch einen schier grenzenlosen Hunger nach Rohstoffen genährt. „Um das hohe Wirtschaftswachstum der letzten Jahre nicht zu gefährden, ist China gezwungen, seine Energieimporte auszuweiten“, sagt Umbach. Die Hauptrolle spielt das Öl. Auf einer Lateinamerikareise Ende 2004 schloss Chinas Präsident Hu Jintao 39 Wirtschaftsabkommen ab und versprach Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Dollar bis 2015.

Die Chinesen sind in so gut wie allen Ländern des Kontinents präsent. In Peru und Ekuador will man sich an der Ölförderung beteiligen. In Venezuela wurde mit Präsident Chávez die Erschließung neuer Ölfelder vereinbart, ebenso mit Kuba. In Argentinien wird China 20 Milliarden Dollar in den Ausbau der Eisenbahn, der Telekommunikation, die Förderung von Öl und Gas und die Entwicklung von Weltraumtechnologie investieren. Mit Chile will man die Einrichtung einer Freihandelszone prüfen. Und mit Bolivien, dem Land, das die zweitgrößten Erdgasreserven auf dem amerikanischen Kontinent hat, wird Peking, dem Vorschlag Morales’ folgend, die Handelsbeziehungen ausbauen und sich an der Gasförderung beteiligen.

Chinas wichtigster Partner in Südamerika ist aber der ehemals „schlafende Gigant“ Brasilien. Dessen Präsident „Lula“ da Silva sagte die Verdopplung des Handels mit China voraus, das bereits Brasiliens zweitgrößter Handelspartner ist. Insgesamt schossen die brasilianischen Exporte nach China zwischen 1999 und 2004 von 680 Millionen Dollar auf 5,4 Milliarden Dollar in die Höhe.

Trotz der Euphorie über den florierenden Handel gibt es auch warnende Stimmen. Denn Chinas Expansionspolitik folgt einem neokolonialen Muster. Die Infrastruktur, die die Chinesen aufbauen, dient einzig der Ausbeutung und dem Transport von Rohstoffen. Im Gegenzug überschwemmen sie den lateinamerikanischen Markt mit Massengütern. Solange die Lateinamerikaner nichts anderes exportieren können, sei das „besser als nichts“, sagt Nolte. Aber langfristig sei es schon ein Problem. Weil sie wieder in die traditionelle Rolle des Rohstoffexporteurs gerieten – und damit der Aufbau einer auf vielen Säulen ruhenden Industrie und Wirtschaft verhindert werde.

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