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Politik: Wettrennen im Hinterhof

Nach seiner Wiederwahl wirbt Bush um Lateinamerika – denn die Nachbarn im Süden blicken schon nach Peking und Moskau

Montevideo - Die erste Auslandsreise seit seiner Wiederwahl hat US-Präsident George W. Bush am Freitag nach Lateinamerika geführt. Kein Zufall: Die Region ist dank vieler Freihandelsabkommen der am schnellsten wachsende Markt für die USA. Mit seiner Teilnahme am Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs des Forums der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftszusammenarbeit (Apec) an diesem Wochenende in Chiles Hauptstadt Santiago verdeutlicht Bush auch, dass Washington den südlichen Nachbarn fortan wieder mehr Augenmerk schenken will. Empfangen wurde Bush auch mit Protestdemos, bei denen mehrere Menschen bei Auseinandersetzungen mit der Polizei verletzt und hunderte festgenommen wurden.

Schon vor dem Apec-Treffen, das am Freitag Zehntausende von Gipfel-Gegnern auf den Straßen von Santiago mobilisierte, waren US-Außenminister Colin Powell und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in der Region unterwegs gewesen. Lateinamerika beherbergt große Gas- und knapp die Hälfte der Süßwasserreserven der Welt. Jedes Jahr kommen rund drei Millionen illegale Einwanderer in die USA, die meisten von ihnen aus Mexiko, Mittelamerika und der Karibik. Die 3200 Kilometer lange amerikanisch-mexikanische Grenze ist Einfallstor für Drogen, Schmuggler und nach Informationen des US-Geheimdienstes CIA auch für das Terrornetzwerk Al Qaida.

Doch weil Washington seit dem 11. September 2001 vorrangig mit Afghanistan und dem Irak beschäftigt war, verschwanden Projekte in Lateinamerika wie die amerikanische Freihandelszone von Alaska bis Feuerland (Alca) aus dem Blickfeld. Die Lateinamerikaner sahen sich nach anderen Wirtschaftspartnern um – mit Erfolg. „Wir müssen uns von den USA emanzipieren und eine eigene Vision entwickeln, welche Beziehungen wir zu welchen Ländern pflegen wollen“, erläuterte der ehemalige mexikanische UN-Botschafter, Adolfo Aguilar Zinser.

So besiegelten Brasilien und Argentinien mit China in diesen Tagen Kooperationsprojekte und wirtschaftliche Abkommen in Milliardenhöhe. Auch Russland steht bereits vor der Tür: Präsident Wladimir Putin wird kommende Woche in Brasilien erwartet, eine Woche danach empfängt er den venezolanischen Staatschef Hugo Chavez in Moskau. Sowohl für Russland als auch für China geht es vor allem um Zusammenarbeit im sensiblen Energie-und Infrastrukturbereich. Die neue „Konkurrenz im Hinterhof“ hat jedenfalls die Alarmglocken im Pentagon läuten lassen.

Sandra Weiß

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