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Politik: Wichtige Unterlagen zum Verkauf der Leuna-Raffinerie sollen nicht mehr da sein - warum weiß niemand so genau

In Berlin spricht die Politik vom "deutschen Watergate". Die Anspielung auf den Fall des US-Präsidenten Richard Nixon, der politische Gegner bespitzeln und abhören ließ, wäre noch zu tief gegriffen, wenn wahr ist, was der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses der CDU-Parteispendenaffäre, Volker Neumann (SPD), öffentlich behauptet.

In Berlin spricht die Politik vom "deutschen Watergate". Die Anspielung auf den Fall des US-Präsidenten Richard Nixon, der politische Gegner bespitzeln und abhören ließ, wäre noch zu tief gegriffen, wenn wahr ist, was der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses der CDU-Parteispendenaffäre, Volker Neumann (SPD), öffentlich behauptet. Wichtige Akten über den Verkauf der Raffinerie Leuna an ein vom französischen Unternehmen Elf geführtes Konsortium im Jahre 1992 seien im Kanzleramt verschwunden, sagte Neumann am Wochenende. "Ich habe mich heute vergewissert. Es ist in der Tat so, dass Akten und auch ganze Bände fehlen," so Neumann im ZDF. Der Vorsitzende des "DDR-Vermögen"-Ausschusses, der im Frühjahr 1998 seine Arbeit einstellte, Julius Beucher (SPD), behauptete, es seien "massenhaft Akten und Festplatten im Kanzleramt vernichtet worden."

Indes ist völlig unklar, welche Akten und welche Bände in welchem Umfang wann verschwunden sein sollen. Der Sprecher der Bundesregierung, Heye, sagte dem Tagesspiegel, im Bundeskanzleramt seien "jedenfalls keinerlei Originalakten, nur Kopien gefunden" worden, von denen man noch nicht wisse, ob sie vollständig seien. Man werde nun in den Fachministerien nach den Originalen suchen lassen. Noch Ende November 1999 behauptete Volker Neumann in der "Mitteldeutschen Zeitung" indes, es existierten im Bundeskanzleramt Akten, nicht deren Kopien zu Leuna.

Ex-Kanzleramtschef Friedrich Bohl (CDU), der eine eventuelle Aktenvernichtung zu verantworten hätte, ist sicher, er selber habe "während meiner Amtszeit" keinen Auftrag gegeben, solche Akten zu vernichten. Im übrigen habe man "Kopien der Akten" dem damaligen Untersuchungsausschuss "DDR-Vermögen" übergeben, mithin würde eine Aktenvernichtung "auch gar keinen Sinn machen."

Der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss, Frank Hofmann, sagte dem Tagesspiegel, die SPD habe bereits vor Monaten ans Kanzleramt geschrieben, diese Akten ausfindig zu machen. Seither suche man dort. Mehr wisse er nicht. Die Bundesregierung teilte ergänzend mit, Anfang Dezember habe das Bundeskanzleramt darauf erstmals festgestellt, dass "nicht alle Akten seien da", was allerdings nur als "Zwischenstandsergebnis" zu verstehen sein sollte.

Eine "aktuelle" Aktenvernichtung hat, wenn überhaupt, nur zwischen dem 1. Juni 1998, als der Untersuchungsausschuss "DDR-Vermögen" die Akten schloss, bis Ende Oktober 1998, nach der Übergangszeit von der alten zur neuen Regierung, stattfinden können. Sowohl der "Treuhand-Untersuchungsausschuss" als auch dessen Nachfolger "DDR-Vermögen" hatten bei ihren Aufklärungsbemühungen in Bezug auf die Privatisierung der Raffinerie Leuna mit einer extrem restriktiven Bereitschaft der Regierung zu kämpfen, Akten bereitzustellen. Rund 80 Prozent der dem Ausschuss damals zur Verfügung gestellten Dokumente waren unter Geheimhaltung gestellt.

Beim Ausschuss "DDR-Vermögen" kamen 28 Ordner in einem völlig chaotischen Zustand ohne Gliederung zum Ausschuss. Darüber hinaus verzögerte die Regierung die Herausgabe der relevanten Akten: Über 90 Ordner wurden erst im April 1998, rund einen Monat vor dem Ende der Ausschussarbeit, übermittelt.

Rüdiger Scheidges

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