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Politik: Widersprüchliche Einsichten

Was passiert, wenn der Beamtenbund eine Umfrage zum Thema Steuern machen lässt

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Hätte Manfred Güllners jüngste Meinungsumfrage politische Folgen, dann würde der Steuerexperte und Beinahe-Finanzminister der CDU, Paul Kirchhof, demnächst Vorsitzender der SPD werden, Guido Westerwelle würde im Bundestag für höhere statt niedrigere Steuern werben und die Mehrwertsteuer für Blumen und Hundefutter würde nicht wie heute ermäßigte sieben, sondern volle 19 Prozent betragen. Allerdings nur für Leute, die mehr als 100 000 Euro im Jahr verdienen. Wer das alles für kompletten Unsinn hält, der sei willkommen im Kreise derer, die mit zunehmender Skepsis in den Befragungen von Bürgern eine schlüssige Antwort auf die Frage danach suchen, was der Wähler eigentlich will.

Gut tausend Bürger hat Güllners Umfrageinstitut Forsa Mitte September im Auftrag des Beamtenbundes nach ihrer Meinung über den Umgang mit Steuergeldern gefragt und sich davon Erkenntnisse darüber versprochen, was die Bürger gerne hätten und was Politiker in Zeiten knapper Haushaltskassen mit den Steuergeldern tun sollen. Herausgekommen ist eine Mischung aus Hoffnungen, Wünschen und Enttäuschungen, die jeden Politiker, der danach trachtet, dem Wählerwillen näher zu kommen, die Haare zu Berge stehen lassen muss. Denn wenn’s ums Staatsgeld geht, dann wollen die Deutschen offenbar alles zugleich: investieren, Schulden abbauen und für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Zunächst ist die weit überwiegende Mehrheit der Auffassung, dass das deutsche Steuersystem zutiefst ungerecht ist und daher dringend vereinfacht werden müsse – und zwar „radikal“. Zuletzt hatte der Ex-Verfassungsrichter und Steuerrechtler Kirchhof mit einer solchen Botschaft die Menschen als Schatten-Finanzminister der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel im Bundestagswahlkampf 2005 begeistert. Freilich nur so lange, bis Gerhard Schröder (SPD) das radikal einfache Steuersystem (alle zahlen 25 Prozent) des „Professors aus Heidelberg“ als das entlarvte, was es bei genauerer Betrachtung war: ein Programm zur Steuersenkung für Reiche und eine Steueranhebung für Kleinverdiener.

Die verblüffende Erkenntnis scheinen insbesondere Anhänger von SPD und Linken mittlerweile vergessen zu haben: Beinahe vollständig votierten sie in Güllners Umfrage für eine „radikale“ Steuervereinfachung. Ist ihnen nicht bewusst, dass dies auch die Subventionen für Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit betreffen würde?

Und mehr noch: Befragt nach der Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Bund, Ländern und Kommunen offenbaren die Bürger, dass ihnen der Zustand des Bundeshaushaltes offenbar völlig gleichgültig ist, die Kassenlage ihrer Bürgermeister allerdings nicht. Gut 80 Prozent reden einer Umverteilung von Berlin in die Kommunen das Wort. Dass der Bund für die Grundversorgung von Rentnern, Arbeitslosen und das Kindergeld aufkommt, hier mithin kürzen müsste, wenn das Geld künftig in die Stadtsäckel fließt – Manfred Güllner findet, dass die befragten Bürger sich über die Konsequenzen ihrer Wünsche keine Gedanken machen müssten, dazu seien die gewählten Politiker da. Von denen allerdings erwarten die Bürger auch in dieser Umfrage mal wieder überhaupt nichts. Mehrheitlich befinden sie, dass sie keiner politischen Kraft zutrauen, das Steuergeld sinnvoll zu investieren.

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