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Politik: Widerstand in der Einflugschneise

Der Ausbau des Frankfurter Flughafens ist ein heißes Wahlkampfthema in Hessen – und für alle Parteien unangenehm

Auf den ersten Blick ist die Sache klar: Im hessischen Landtag haben sich CDU, SPD und FDP einmütig zum Ausbau des Frankfurter Flughafens bekannt. Nördlich von Kelsterbach soll eine Bannwaldfläche der neuen Landebahn weichen. Statt der heute 460 000 könnten dann mehr als 600 000 Flugbewegungen jährlich abgewickelt werden, trotz des Nachtflugverbots, auf das sich Politik und der halbstaatliche Flughafenbetreiber Fraport festgelegt haben. Dennoch ist der Bau der vierten Piste ein umstrittenes Thema im Landtagswahlkampf. Die Hälfte der Bevölkerung Hessens lebt im Ballungsraum Rhein-Main und ist betroffen. Die scheinbare Einheitsfront der Parteien erweist sich als brüchig, zumal die Erinnerung an die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen vor 20 Jahren, als die „Startbahn West“ gebaut wurde, wach geblieben ist.

Die Stadt Kelsterbach war lange froh über die Nachbarschaft zum Flughafen, weil man bei der Gewerbesteuer profitierte und viele der 15 000 Bürger dort arbeiten. Durch die Ausbaupläne steht jetzt allerdings die weitere Industrieansiedlung zur Disposition; wie hier würden auch in Raunheim Straßenzüge unbewohnbar, im Mainstädtchen Flörsheim würden Jumbos in nur 240 Meter Höhe über Wohnhäuser hinwegdonnern. Kommunalpolitiker von Union und SPD sind deshalb auf Konfliktkurs zu ihren Parteiführungen gegangen.

Eine „saumäßige Belastung“ durch den Fluglärm gesteht sogar Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ein. Er wirbt aber unbeirrt für den Ausbau; nur so könne die Funktion des Flughafens als Drehkreuz der europäischen Luftfahrt gesichert werden, sagt Koch, der auch Fraport-Aufsichtsratsvorsitzender ist. Heute arbeiten bereits mehr als 60 000 Menschen auf dem Airport, die Ausbaubefürworter versprechen weitere 30 000. Einzelne CDU-Abgeordnete haben sich inzwischen dennoch zumindest gegen bestimmte Ausbauvarianten gewandt, die ihren Wahlkreis besonders belasten würden.

Bei der SPD gibt es mehr Widerstand. Die Abgeordnete Heike Haberland aus Offenbach hat angekündigt, im Landtag gegen die neue Landebahn zu stimmen. Und die Frankfurter Abgeordnete Andrea Ypsilanti, stellvertretende SPD-Landeschefin, sagte, sie erkenne „zurzeit“ keine Möglichkeit, die von der Partei festgeschriebenen Bedingungen rechtlich zuverlässig abzusichern. SPD-Ortsvereine im Main-Taunus-Kreis weigerten sich, Plakate mit dem Konterfei des Spitzenkandidaten Gerd Bökel, einem Ausbaubefürworter, aufzuhängen. „Wer den Ausbau verhindern will, muss uns wählen“, wirbt Grünen-Spitzenkandidatin Evi Schönhut-Keil. Die Grünen übertreffen sich gegenseitig mit solchen Bekenntnissen, denn sie haben Konkurrenz bekommen. Flughafengegner kandidieren mit einer eigenen Liste (FAG) für den Landtag. Allein die FDP wirbt einmütig für den Flughafenausbau. Rhein-Main konkurriere schließlich mit London und Paris und könne sich einen Stillstand nicht leisten, so die FDP-Spitzenkandidatin Ruth Wagner.

Die Entscheidung über den Ausbau dürfte aber nicht in der Wahlkabine, sondern vor Gericht fallen. Die Kommunen der Region haben dutzende von Verwaltungsjuristen unter Vertrag genommen. Die Umweltverbände machen Vogel- und Landschaftsschutz geltend. Und weil in der geplanten Einflugschneise eine Chemiefabrik liegt, hat der Wirtschaftsminister vorsorglich ein Gutachten in Auftrag gegeben. „Da gibt es offenbar Probleme, die das Planfeststellungsverfahren in Verzug gebracht haben“, deutet Bökel an, und er wirkt dabei fast erleichtert.

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