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Seine Lesart. Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist weiter unter Druck. Am Mittwoch muss er selbst vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Foto: Marijan Murat/dpa

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Politik: Wie auf einer Rüstungsmesse

Im Euro-Hawk-Untersuchungsausschuss preisen Hersteller die umstrittene Drohne Aus ihrer Sicht wäre es das Beste, wenn der Verteidigungsminister am Projekt doch festhalten würde.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Was macht einen erfolgreichen Verkäufer aus? Na klar: Er lobt sein Produkt über den grünen Klee – und zwar auch dann noch, wenn eigentlich niemand mehr an dessen Funktionsfähigkeit glaubt.

Die Hersteller der umstrittenen Aufklärungsdrohne Euro Hawk präsentierten sich am Montag zweifellos als sehr gute Verkäufer ihrer Ware. Mancher Zuhörer im Raum 4.900 des Bundestages, wo der Untersuchungsausschuss zum Euro Hawk seit gut einer Woche tagt, fühlte sich zwischenzeitlich wie auf einer Messe für Rüstungsgüter, auf der Hersteller mit stolzgeschwellter Brust ihre Produkte bewerben. „Effektiv, effizient und bezahlbar“ nannte etwa der amerikanische Manager Janis Pamilijans die unbemannte Aufklärungsdrohne. Pamilijans ist Vizechef des US-Rüstungskonzerns Northrop Grumman, der den Euro Hawk hergestellt hat. Und auch der Chef des Herstellers der Aufklärungstechnik Isis, Cassidian, Bernhard Gerwert, lobte die eigene Technik.

Seit 2001 haben Cassidian und Northrop Grumman gemeinsam an dem Euro Hawk im Auftrag der Bundesregierung gebaut und die Drohne getestet. Mitte Mai hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) entschieden, dass das Projekt gestoppt wird. Und nun sagen die Hersteller: Der Euro Hawk ist das beste System, das es gibt. Alle Probleme sind lösbar – und das zu vertretbaren Preisen. Und das Beste wäre, die Regierung würde aus dem Ausstiegsbeschluss gleich wieder aussteigen.

Alles nur, weil man das eigene Millionen-Geschäft sichern will? Wie viel Wahrheit in den Zeugenaussagen der beiden Industrievertreter steckt und wie viel davon schamlose Eigenwerbung, das konnten die Mitglieder des Untersuchungsausschusses am Montag zeitweilig wohl auch nicht genau unterscheiden.

Allerdings schienen danach Vertreter der Koalition genauso wie der Opposition verunsichert darüber, ob man den Vorwurf gegen den Minister, er habe das Projekt Euro Hawk zu spät gestoppt und deshalb Millionen des Steuerzahlers verplempert, überhaupt aufrechterhalten kann. Möglicherweise nämlich ist es eher anders herum – und de Maizière hat die Entwicklung zu früh beendet, womit der Schaden für Bundeswehr und Bundeshaushalt erst noch eintreten wird. Schließlich wird die Aufklärungstechnik von den Soldaten benötigt. Und noch niemand hat eine Antwort darauf, wie diese Lücke in der Fertigkeit der Bundeswehr geschlossen werden soll. Ob er nun aber zu früh oder zu spät die Reißleine gezogen hat: Für den angeschlagenen Minister de Maizière ist das nicht mehr wirklich ausschlaggebend. Denn in keiner der beiden Varianten gibt er das Bild eines souveränen Entscheiders ab.

Betrachtet man die zurückliegenden Jahre aus der Sicht der Industrie, dann hat das Verteidigungsministerium unter Rudolf Scharping (SPD) bei den Amerikanern eine baugleiche Drohne zum dort seit Jahren fliegenden Global Hawk bestellt und Cassidian gebeten, eine Aufklärungstechnik einzubauen. Weil der Global Hawk bereits „mehr als 15 Jahre über allen Ländern der Welt“ fliege, wie Janis Pamilijans sagte, ist man offenbar davon ausgegangen, dass die US-Zulassungsstandards nur ein wenig modifiziert werden müssen, damit die Drohne auch über Deutschlands kreisen darf. Erst 2007, so jedenfalls erinnerten sich die Industrievertreter, sei klar geworden, dass die deutschen Standards eine komplette Neuzulassung des technischen Gerätes nötig machen würde. Das sei teuer und zeitaufwendig, aber dennoch zu leisten, sagten die Industrievertreter: „Die Zulassung des Euro Hawk ist machbar“, sagte Cassidian-Mann Gerwert, und Pamilijan ergänzte: „Wir stehen voll hinter dem Programm.“ Aus übereinstimmender Sicht beider Manager wären 160 bis 200 Millionen Euro nötig, um die notwendigen Zulassungsverfahren für einen militärischen Betrieb fertigzustellen. Wie die Deutschen auf weitere Kosten von 500 bis 600 Millionen Euro gekommen seien und deshalb die Bestellung der Serie abgebrochen hätten, konnten sich beide Manager nicht erklären. Für die Industrieseite jedenfalls betonte der Amerikaner: „Yes, Sir, alle wollen weitermachen.“

Auch wenn in diesem Willen zum Weitermachen gewiss eine große Portion Eigeninteresse liegt, schließlich gäbe es viel Geld zu verdienen, so scheinen die Argumente der Industrievertreter dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen zu sein. Auch das förderte ihre Befragung im Ausschuss am Montag zutage. Zum einen kann nur eine unbemannte Drohne tagelang in sehr großer Höhe fliegen und Daten sammeln. Eine solche Drohne in Europa zu entwickeln, wäre sehr teuer und wegen der kleinen Stückzahlen „wenig effektiv“ (Gerwert). Jedes US-Produkt hätte aber die gleichen Zulassungsprobleme wie der Euro Hawk. Weshalb nur noch ein bemanntes Flugzeug infrage kommt. Das allerdings wird nicht so hoch fliegen können, was den Einsatz der Aufklärungstechnik wenig effektiv und außerdem teuer im Betrieb macht, weil man hohe Piloten- und damit Personalkosten hat. Zehn Jahre mindestens werde es dauern, so ein Gerät zu identifizieren und im Betrieb zu testen. Und Milliarden-Beträge kosten. Die Deutschen, resümierte Janis Pamilijans zum Ende, „sollten unbedingt an dem Programm festhalten“ und den Euro Hawk doch noch kaufen.

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