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Politik: Wie die Großen

Afghanistan soll eine Präsidialrepublik werden. Vorbild sind die Vereinigten Staaten – aber auch Russland

Unfreiwillig ließ US-Botschafter Zalmay Khalilzad am Freitag die Katze aus dem Sack: Die Afghanen diskutierten auf ihrem Verfassungskonvent Dinge, die in ihrer 5000-jährigen Geschichte bisher keine Rolle gespielt hätten. Khalilzad ging es dabei weniger um demokratische Rechte, sondern um den Plan der Verfassungskommission, Afghanistan zu einer Präsidialrepublik mit einer starken Zentralgewalt in der Hauptstadt Kabul zu erklären. Für diesen Vorschlag zeichnete sich am Wochenende Zustimmung bei der seit dem 14. Dezember in Kabul tagenden Verfassungsversammlung, der Loya Dschirga, ab.

Beobachter weisen indes darauf hin, dass diese Staatsform der Tradition des Landes widerspreche. Stets beschränkten sich Zentralregierungen im ethnisch heterogenen Afghanistan, wo drei islamische Bekenntnisse koexistieren, auf das Allernotwendigste: Außen- und Verteidigungspolitik sowie eine gemeinsame Währung. Alles andere regelten Völker und Stämme durch eigene Absprachen auf der Basis von islamischem und lokalem Gewohnheitsrecht.

Aus dem Takt kam das System freilich schon vor dem Einmarsch der Sowjets: Die Marxisten, die 1973 den König stürzten, versuchten, in Afghanistan eine straffe Zentralmacht zu etablieren, die mit der traditionellen kollektiven Demokratie der Afghanen unvereinbar war.

Vertreter der Taliban und mit ihnen verbündete oppositionelle Warlords monieren, auch der Entwurf für die neue Verfassung orientiere sich nicht, wie auf der Bonner Afghanistan-Konferenz vereinbart, an der Verfassung der Monarchie von 1964, sondern an den USA. Die nahezu diktatorischen Vollmachten für den Präsidenten und eher symbolischen Mitspracherechte für das Parlament erinnern aber auch an die Verhältnisse in Russland. Doch Übergangspräsident Hamid Karsai hat die Machtfrage zur Voraussetzung für eine Kandidatur bei den Wahlen im Sommer 2004 gemacht.

Um endlose Diskussionen in der Loya Dschirga zu vermeiden, wird über diesen und andere wichtige Punkte der Verfassung offenbar auch in handverlesenen Tafelrunden debattiert. Auch von massivem Stimmenkauf unter den Delegierten wird berichtet – etwa bei der Wahl des Dschirga-Präsidenten Sebghatullah Mujadidi. Ebenso wie Karsai verfügt auch Mujadidi über enge Verbindungen zu den USA. Seine Milizen wurden während der sowjetischen Besatzung von der CIA ausgebildet und bewaffnet. Nach dem Abzug Moskaus war Mujadidi Wunschkandidat Washingtons für das Amt des Übergangspräsidenten. Doch er scheiterte an einer kurzlebigen Allianz seiner Erzrivalen, die Tadschikenführer Burhanuddin Rabbani zum Präsidenten kürten.

Ähnliches droht auch jetzt: Ehemalige Mudschaheddin, die Führer im Kampf gegen die Sowjets, drohen mit neuen Kämpfen, sollte in der Loya Dschirga weiter manipuliert werden. Der stellvertretende Vorsitzende der Versammlung, Kaimddin Kaschaf, zeigte sich dennoch zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen. Drei von zehn Ausschüssen hätten ihre Arbeit bereits abgeschlossen, sagte Kaschaf am Sonntag. „Ich bin mit ihrer harten Arbeit sehr zufrieden.“ Auch Hamid Karsai wertete die erste Sitzungswoche der Ratsversammlung als Erfolg und äußerte die Hoffnung auf einen Abschluss der Beratungen bis Ende des Jahres. Die Ausschüsse gehen Artikel für Artikel durch den Verfassungsentwurf und geben dem Plenum der 500 Delegierten Empfehlungen ab. Diese entscheiden darüber und stimmen schließlich über die Ratifizierung des Gesetzestextes ab.

Washington kündigte unterdessen an, neue Stützpunkte in Afghanistan zu eröffnen. Der neue US-Kommandeur in Afghanistan, General David Barno, sagte am Sonntag in Kabul, die USA wollten ihre Präsenz im Süden und im Osten verstärken, wo die Sicherheitslage weiter angespannt sei.

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