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Kürzer geht nimmer, die Kälte des Marktes erlaubt keine Längen.

© dpa

Wie die Sprache im digitalen Zeitalter verhunzt wird: FYI, genug gebraint, asapst lesen, alles weitere offline

Die Entpersönlichung des Mailverkehrs geht einher mit einer Vereinheitlichung der Sprache. Die Klonkrieger des Kapitalismus schreiben im Dienste ihrer Auftraggeber, persönliche Formulierungen sind überflüssig. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Arno Makowsky

Wenn wir morgens den Computer hochfahren, spüren wir das Erwachen der Macht. Schon in der ersten Mail steckt die Botschaft der Klonkrieger – jener Kreaturen, die gezüchtet wurden, um das System bedingungslos zu verteidigen. Dabei sind wir nicht im Kino, nicht in „Star Wars“, sondern im Büro. Die Klonkrieger sitzen auch an Bildschirmen, in anderen Büros, und ihre verschlüsselten Botschaften heißen: „FYI, mit diesem Produkt sind wir unique!“ Oder: „Auf meiner persönlichen To-Do-Liste ist das Prio 1.“
Die Entpersönlichung des Mailverkehrs geht einher mit einer Vereinheitlichung der Sprache.

Die Klonkrieger des Kapitalismus sprechen und schreiben im Dienste ihrer Auftraggeber, persönliche Formulierungen sind überflüssig. Will man beispielsweise Sympathie mit einer Idee oder einer bestimmten Haltung signalisieren, muss man nicht lange überlegen, warum und wieso, sondern sagt: „Da bin ich ganz bei Ihnen.“ Und plant man gar, Gott bewahre, mit einem Geschäftspartner einmal ein richtiges Gespräch ohne Zuhilfenahme digitaler Geräte zu führen, unterstreicht man diese verwegene Idee mit dem Satz: „Das besprechen wir offline.“

Inhaltsleer, klingt aber cool

Mag die Sprache dabei verarmen, die Produktivität der lebenden Marketingroboter nimmt im Vergleich zu normal sprechenden Menschen vermutlich zu. Schließlich können sie sich ihre Kreativität voll und ganz für die Geldvermehrung aufsparen. Und Zeit ist Geld, deshalb bittet man nicht umständlich darum, etwas bald zu erledigen, sondern fordert ultimativ: asap! Was so viel heißt wie „as soon as possible“. Von besonders engagierten Klonkriegern gerne auch in der Steigerungsform „asapst“ verwendet. Ungefähr so: Dieses Projekt sollten wir asapst aufsetzen. Und zwar proaktiv. Das wird sportlich, Freunde! Gegenüber herkömmlichem Deutsch hat die Klonsprache den Vorteil, dass sie die Nullinhalte der meisten Besprechungen, pardon, Meetings perfekt verschleiert und mit einer nicht vorhandenen Bedeutung auflädt. „Wir sind noch im Abstimmungsprozess“ etwa bedeutet, dass bisher außer Geschwätz nichts herausgekommen ist – es klingt aber so, als würden sich kluge Menschen das Hirn zermartern. Und wenn jemand überhaupt keine Ahnung hat, wie es weitergehen soll, weil alle heillos zerstritten sind, sagt er einfach: „Darauf müssen wir uns noch committen.“ Wichtig dabei ist übrigens, das einer „den Hut aufhat“ und die Diskussion trotzdem „ergebnisoffen“ verläuft.

Praktisch sind Universalworte, die immer passen

Das Schöne an dieser Art der Kommunikation ist ja, dass ihre Anwender sich als Teil einer wunderbaren Businesswelt fühlen, in der immer sofort „Lösungen“ abrufbar sind. Worauf wollten wir uns gleich nochmal konzentrieren? Auf die Kernkompetenzen, Mann! Wer das noch nicht überrissen hat, ist wirklich der komplette No-Brainer. Dem fehlt’s echt an allen skills.
Die zunehmende Verbreitung der Klonsprache unterstützt perfekt die Bemühungen etwa von Google, menschliche Unterhaltungen in Zukunft völlig überflüssig zu machen. Die Google-Funktion „Smart Reply“ zum Beispiel beantwortet demnächst Mails selbstständig. Bei üblichen Manager-Unterredungen ist das schon jetzt kein Problem. Wie sollten wir mit unseren Partnern kommunizieren? Auf Augenhöhe. Und was machen wir mit dem einzig guten von hundert schwachsinnigen Vorschlägen? Auf die short list setzen!
Praktisch sind Universalworte, die immer passen. Zum Beispiel „absolut“ – als Antwort unschlagbar. Sollen wir dieses Team ins Boot holen? Absolut! Haben die sich am Ende des Tages als hidden champions herausgestellt? Absolut! Ist das Geschnetzelte in der Kantine okay? Absolut.
Interessant ist, dass parallel zur Entseelung der schriftlichen Kommunikation ein neues Phänomen entstanden ist: die Verniedlichung der persönlichen Ansprache. Bis vor einigen Jahren genügte am Ende eines Geschäftsbriefes noch ein schlichtes „MfG, Obermaier“. Mittlerweile heißt das: „Herzlich, Ihr Heinz“. Menschen, die man noch nie im Leben gesehen hat, verabschieden sich, als wären sie Kindergartenfreunde. Faustregel: Wer asapst etwas will, grüßt auch mit „Herzlichst“.
Wie kommt das? Vielleicht soll die Kälte des Marktes, die in der Klonsprache ihre Entsprechung findet, durch übertriebene Freundlichkeit gemildert werden. Womöglich brauchen wir diese vorgetäuschte Nähe in einer Welt der digitalen Kommunikation, in der es auf Effizienz ankommt.
So, genug gebraint, Klonkrieger. Sie sollten jetzt die next steps festlegen. Zeitnah, bitte.

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