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Politik: Wie ein Rolling Stone

Die Republikaner wollen die Demokraten in den Schatten stellen – dafür lernt Bush sogar von Mick Jagger

Die Olympischen Spiele sind am Montag vorbei. Das olympische Motto jedoch lebt fort – im Madison Square Garden in New York. Dort will die Partei des amtierenden USPräsidenten alles überbieten, was vor fünf Wochen ihre Rivalen inszeniert hatten. Schon die Politshow der Demokraten war beachtlich. Doch die Inthronisierung von John Kerry soll im Vergleich zu der von George W. Bush wie das redliche Bemühen einer Vorgruppe wirken, die ein wenig Applaus einheimst, bevor die Stars auf die Bühne kommen.

Die Demokraten waren in Boston. Na ja, ganz hübsch. Die Republikaner aber treffen sich in New York! Zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Die Stadt der Superlative, die Stadt der Anschläge vom 11. September 2001. Boston war für Kerry ein Heimspiel. Bush dagegen traut sich in die Höhle des Löwen. New York wird zwar von einem republikanischen Bürgermeister regiert, ist aber links. Nur zwölf Prozent der Wähler sind als Republikaner registriert.

Sicher, als sich Bush und sein Intimus Karl Rove vor 18 Monaten für diese Stadt entschieden, hegten sie noch ambitioniertere Hoffnungen als heute. Selbst ein spektakulärer Auftritt des Präsidenten an Ground Zero, zeitlich dicht am Jahrestag der Terroranschläge, war überlegt worden. Am 14. September 2001 hatte Bush auf den Trümmern des World Trade Centers, umringt von abgekämpften Feuerwehrleuten, in einer kurzen freien Rede den Nerv der Amerikaner getroffen. Daran hätte erinnert werden können.

Doch all diese Pläne sind Makulatur. Nicht einmal über Nacht wird Bush nun in New York bleiben. Kurz, aber einprägsam: So soll sein Auftritt sein. Die Bühne, auf der er spricht, wird eigens für ihn in der Nacht auf Donnerstag umgebaut. Per Hydraulik soll sie wie ein langer Arm aus dem Boden emporsteigen. An ihrem Ende befindet sich ein kleiner Kreis, auf dem Bush ganz allein im Meer seiner Anhänger stehen wird. Mick Jagger von den „Rolling Stones“ macht es bei seinen Konzerten ähnlich. New York erinnert in diesen Tagen an einen Hochsicherheitstrakt. Anwohner ohne Passierschein dürfen das Sperrgebiet nicht betreten. Am Freitag wurden wegen eines geplanten Anschlages auf eine New Yorker U-Bahn-Station zwei Männer festgenommen. Die beiden hätten versucht, Sprengstoff für einen Anschlag auf die U-Bahn-Haltestelle an der 34. Straße in Manhattan zu besorgen, verlautete aus Ermittlungskreisen. Die Angst vor Terror ist immens.

Die Bush-Rede am Donnerstag markiert den Höhepunkt der Krönungszeremonie. Detailliert will der Präsident darlegen, welche Ziele er im Falle einer zweiten Amtszeit verfolgt. Viel Spielraum allerdings hat seine Regierung nicht. Weder kann sie sich teure Programme noch weitere Steuersenkungen leisten. Das Haushaltsdefizit ist auf Rekordhöhe.

Drei Tage vor dem Parteitag protestierten Tausende Menschen im New Yorker Stadtteil East Village mit einer Fahrraddemo gegen Bush. So wie sie haben sich die meisten Amerikaner vor der Wahl am 2. November bereits entschieden – für Bush oder für Kerry. Das Land ist gespalten: Eine knappe Mehrheit der Amerikaner meint, Bush habe eine Wiederwahl nicht verdient, Kerry wird nur von rund 45 Prozent unterstützt. Die Schlacht auf dem Parteitag der Republikaner wird also um jene sechs bis acht Prozent geschlagen, die Bush kritisch gegenüberstehen, aber Einwände gegen Kerry haben.

Diese Klientel will der Präsident in New York zurückgewinnen, indem er seiner Partei den Schafspelz überstreift. Die Hauptreden halten moderate Republikaner wie New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani, der populäre Senator John McCain und Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Wir haben nicht nur Muskeln, sondern auch viel Herz: Diese Botschaft soll über die TV-Kanäle versandt werden. Die Ikone der Moderaten, Außenminister Colin Powell, lässt sich freilich entschuldigen.

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