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Politik: Wie im schlechten Film

Polens Regierungspartei bietet Abgeordneten offenbar Geld gegen Unterstützung – vor versteckter Kamera

Nach dem Scheitern von Polens populistischer Koalition sucht die nationalkonservative PiS fieberhaft eine neue Mehrheit. Doch beim Anwerben von Überläufern schreckt sie auch vor fragwürdigen Methoden nicht zurück. Nach einer kompromittierenden TV-Enthüllung steigen die Chancen auf Neuwahlen.

Um großzügige Angebote erwies sich der Gesandte der nationalkonservativen Regierungspartei (PiS) beim Ködern der Oppositions-Parlamentarierin Renata Beger kaum verlegen. Das von ihr geforderte Amt eines Staatsekretärs sei „keinerlei Problem, wir haben jede Menge freier Posten“, versicherte Adam Lipinski, Kanzleichef in Polens Kabinett, der vermeintlich wechselwilligen Abgeordneten der Bauernprotestpartei Samoobrona. Sie wolle die Garantie des Premiers, dass ihre Forderungen nach einem sicheren Listenplatz und „zwei hohen Posten“ für ihre Gefolgsleute in der Regionalverwaltung erfüllt würden, so Beger. „Der Vorsitzende“ könne im Moment ihren Vorschlag nicht akzeptieren, teilte Lipinski drei Tage später seiner Verhandlungspartnerin mit: Zur Sicherung vor finanziellen Ansprüchen der Samoobrona gegenüber Überläufern könnten aber Mittel des Parlaments genutzt werden.

Zu dem Einblick in die Mechanismen der Macht verhalfen dem verblüfften Publikum eine versteckte Kamera des Fernsehsenders TVN und die schauspielerischen Fähigkeiten der scheinbar hart verhandelnden Beger. Zur besten Sendezeit strahlte der Sender am Dienstagabend den denkwürdigen Kuhhandel aus. Als „Tiefpunkt politischer Korruption“ bewerteten Oppositionspolitiker die Tatsache, dass die PiS offenbar selbst nicht davor zurückschrecke, Steuergelder zum Kauf von Abgeordneten zu nutzen.

„Die Partei, die im Wahlkampf die Bekämpfung der Korruption versprochen hatte, ist selbst zum Symbol der Korruption geworden“, sagte Oppositionschef Donald Tusk (PO). Noch in der Nacht zum Mittwoch forderte er den sofortigen Rücktritt des Kabinetts und Neuwahlen. „Die Tatsache, dass sowohl der Premier als auch Minister bewusst an korrupten Prozessen teilnahmen, bedeutet den Zusammenbruch der Regierung – und des derzeitigen Sejms“, sagte Tusk.

Seit dem Platzen ihrer nationalpopulistischen Koalition mit der Samoobrona und der rechtsklerikalen LPR ist die PiS fieberhaft auf der Suche nach einer neuen Mehrheit. Außer der LPR hoffte Premier Jaroslaw Kaczynski, die traditionelle Bauernpartei PSL und Abgeordnete anderer Fraktionen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Tatsächlich dürfte die Entlarvung der schmutzigen Tricks die Chance der PiS auf eine Machtverlängerung entscheidend beeinträchtigen. Die Bauernpartei PSL brach am Mittwoch die Koalitionsgespräche ab. „Das ist Korruption. Das ist abstoßend. Wir sind überzeugt, dass es nichts mehr zu reden gibt“, sagte Jaroslaw Kalinowski, ein hochrangiger Vertreter der Partei. Ohne eine Beteiligung der Bauernpartei bleibt der PiS nur die Rückkehr zu einer Minderheitsregierung oder der Weg zu vorgezogenen Wahlen.

Der PiS-Fraktionsvorsitzende Marek Kuchcinski sprach nach Ausstrahlung des Videos von „politischer Provokation“ und dem Versuch, die Regierung zu stürzen. Er forderte die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der das Zustandekommen des Videos aufklären soll. In „privaten Gesprächen“ sage man oft „verschiedene Dinge“, versuchte Lipinski seine unsittlichen Angebote zu verteidigen.

Thomas Roser[Warschau]

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