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Politik: Wie lange halten Sie das noch aus, Herr Struck?

Wie fühlt sich einer, der den Bundeskanzler schützen muss?Schützen ist der falsche Ausdruck.

Wie fühlt sich einer, der den Bundeskanzler schützen muss?

Schützen ist der falsche Ausdruck. Wir als Fraktion stützen den Kanzler. Und es ging in der letzten Wochen um die Frage, ob die SPD dem Regierungschef geschlossen das Vertrauen ausspricht. Das Ziel ist erreicht.

Aber der Bundeskanzler hatte sich doch zunächst anders entschieden. Eine eigene Mehrheit hielt Gerhard Schröder nicht für erforderlich.

Nachdem sich am vergangenen Wochenende bei verschiedenen Landesparteitagen der Grünen und dann auch noch bei acht Mitgliedern der grünen Bundestagsfraktion abzeichnete, sie würden einem Einsatz der Bundeswehr nicht zustimmen, musste man fürchten, dass das erhebliche Folgen haben würde. Deshalb war es nötig, die Vertrauensfrage zu stellen.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie umsteuern müssen, dass da etwas falsch läuft?

Weder von der Regierungs- noch von der Fraktionsspitze ist etwas falsch gemacht worden. Es hatte sich bei manchen Mitgliedern des deutschen Bundestages offenbar nur der falsche Eindruck festgesetzt, dass die verbale Bekundung der Solidarität mit den USA keine militärischen Folgen haben würde. Ich glaube, manche haben gehofft, dieser Kelch geht an uns vorüber. Das war aber unrealistisch. Es gab ja schon lange Hinweise darauf, dass die Vereinigten Staaten militärische Hilfe erbitten würden. Das haben einige jedoch offenbar nicht ernst genommen. Umso bestürzter waren sie, als es dazu kam.

Wann gab es die Entscheidung, die Vertrauensfrage zu stellen?

Wir haben am Montagabend zusammengesessen, der Kanzler, seine Berater und ich, und über die Situation diskutiert. Wir waren uns einig, dass in einer solchen Situation, in der es um das außenpolitische Ansehen der Bundesrepublik und der Regierung geht, dieser Weg gegangen werden muss. Es kann nicht sein, dass in einer solch wichtigen Frage die Regierung immer auf die Opposition angewiesen ist.

Montagabend fiel die Entscheidung für die Vertrauensfrage. Freitagmittag ist das Ergebnis da. Wann waren Sie sicher, dass die notwendige Mehrheit steht?

Eigentlich erst am Freitagmorgen, als ich wusste, wie sich die Grünen entscheiden würden. Bei meiner eigenen Fraktion war ich am Donnerstagabend sicher. Auch wenn bedauerlicherweise Frau Lörcher aus der Fraktion ausgeschieden ist.

Wollte die Abgeordnete zur SPD zurückkehren, würden Ihre Arme offen sein?

Das glaube ich nicht. Als ich die Fraktion über den Austritt am Donnerstag informierte, war sie empört. Mit dem Votum gegen den Kanzler ist einfach ein Tabu gebrochen worden. Gerade in der Vertrauensfrage darf man nicht gegen den eigenen Regierungschef stimmen. Da weiß jeder, es geht um den Fortbestand der Regierung.

Aber Sie sagen dem Bundeskanzler auch: Wir sind kein Abnick-Verein?

Den Regierungschef aktiv stützen, ist etwas anderes als passiv alles abzunicken. Das weiß auch der Kanzler.

War die Vertrauensfrage nicht auch ein Mittel, die SPD zu disziplinieren?

Nein. In meiner Fraktion hat es zwar Debatten gegeben, aber sie hätte auch ohne Vertrauensfrage für den Einsatz gestimmt.

Ist es Gerhard Schröder leicht gefallen, sich für die Vertrauensfrage zu entscheiden?

Nein, das ist eine schwierige Entscheidung. Es handelt sich ja nicht um ein alltägliches politisches Instrument. Aber wir sahen dazu keine Alternative.

Für den grünen Abgeordneten Hans-Christian Ströbele war die Abstimmung am Freitag nach eigenem Bekunden fast ein Martyrium. Musste man ihm so etwas zumuten?

Jemand, der an einer Regierung beteiligt ist, kann sich der Verantwortung nicht entziehen. Bei der Frage der Bekämpfung des internationalen Terrorismus kann man nicht nach dem Motto handeln: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

Wie lange hält die rot-grüne Regierung noch, bis 2006?

Zunächst bis zum 22. September 2002. Danach werden die Wählerinnen und Wähler entscheiden. Unser Ziel ist eine Fortsetzung der Koalition. Das hängt aber sowohl von den Mehrheitsverhältnissen ab als auch von inhaltlichen Fragen.

Ist die Vertrauensfrage eine gute Grundlage für eine stabile Koalition, die fortgesetzt werden soll?

Die Diskussionen der vergangenen Tage sind ein heilsamer Schock. Man kann eine solch wichtige Sache keinesfalls einfach laufen lassen. Gerade in einer solch wichtigen außenpolitischen Frage muss der Kanzler auf die eigene Fraktion und die des Regierungspartners zählen können.

Vier Grüne haben gegen, vier für den Bundeswehreinsatz gestimmt. Haben Sie da überhaupt noch Vertrauen zum Regierungspartner?

Zu dem Verfahren äußere ich mich nicht.

Aber Sie müssen doch mit den Grünen zusammenarbeiten. Da ist Vertrauen wichtig.

Ich vertraue der Fraktionsführung der Grünen und der Parteispitze. Ich bin überzeugt davon, dass wir die nächsten wichtigen Entscheidungen, etwa zum Bundeshaushalt, mit der erforderlichen Mehrheit durchsetzen werden. Auch beim Atomausstieg oder bei der Zuwanderung werden wir unsere eigene Mehrheit haben.

Reicht der "heilsame Schock" aus, damit der Parteitag der Grünen am kommenden Wochenende nicht auf die Idee kommt, die Regierungskoalition zu beenden?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Parteitag etwas anderes beschließt als die Bundestagsfraktion. Es ist auch die Aufgabe des Außenministers und der Parteiführung, für die Fortsetzung der Koalition zu werben.

Was bedeutet die Entscheidung vom Freitag für den morgen beginnenden SPD-Parteitag?

Gerhard Schröder geht gestärkt in diesen Bundesparteitag. Es war ja kein einfacher Weg, den er beschritten hat, aber ein erfolgreicher. Die Partei wird den Beschluss des Bundestages akzeptieren. Und der alte Vorsitzende wird mit ganz großer Zustimmung auch der neue sein.

Es wird keine kritischen Einwände von Delegierten geben?

Das kann man bei der SPD nie ausschließen. Das ist aber auch nicht dramatisch. Entscheidend ist, dass die Parteitagsdelegierten verstehen: Deutschland hat seit der Wiedervereinigung eine andere internationale Rolle zu spielen. Es gibt keine windstille Nische mehr, in die man sich stellen kann. Das wird die SPD einsehen, auch wenn harte Debatten dafür nötig sein sollten.

Hilft so eine klare Position dabei, wenn es um einen Platz für Deutschland im Weltsicherheitsrat geht?

Wir drängen uns nicht auf, aber es wäre schon erstrebenswert. Denn als Sicherheitsratsmitglied hätten wir mehr Möglichkeiten einzuwirken als bisher. Wir müssen da aber vorsichtig und behutsam vorgehen.

Haben sich die USA vor der Abstimmung darüber geäußert, was passieren würde, wenn der Einsatz keine Mehrheit fände?

Nein. Aber es ist unstrittig, dass ein Nein des Bundestages nicht nur dem Ansehen der Regierung schwer geschadet hätte, sondern auch Deutschlands. Das wäre einer außenpolitischen Katastrophe gleichgekommen. Wir hätten dann keine Möglichkeiten mehr gehabt, auf das, was in Afghanistan und anderswo passiert, einzuwirken.

Sie glauben wirklich an ein Mitspracherecht der Bundesregierung?

Wer mitwirkt, entscheidet auch mit.

Es wird Aufgabe der Bundeswehr sein, humanitäre Hilfe zu leisten. Dennoch ist der Einsatz gefährlich. Hielte das Regierungsbündnis eine zweite Abstimmung aus?

Zunächst einmal: Es gibt keine weiteren Anforderungen an uns. Aber denken Sie einmal an das Mazedonien-Mandat. Bei der ersten Abstimmung im Bundestag fehlten uns im Regierungslager einige Stimmen. Da ging es darum, dass deutsche Soldaten die Abgabe von Waffen mit beaufsichtigen sollten. Das ist ohne Gefahr für unsere Soldaten erfolgreich beendet worden. Bei der zweiten Mazedonien-Abstimmung ging es um die Frage, ob Deutschland als führende Nation den Friedensprozess in Mazedonien begleitet. Ihre Aufgabe ist es, die zivilen Beobachter der OSZE und der EU vor Angriffen zu schützen. Da gab es dann im Bundestag eine deutliche Mehrheit der Koalition. Es kommt also bei Abstimmungen im Bundestag immer auf die Situation an Ort und Stelle an.

Aber schon jetzt könnte der Einsatz gefährlich werden. Es droht ein Guerillakampf gegen die Taliban. Die Russen haben da ein Desaster erlebt. Kann das nicht auch der westlichen Allianz drohen?

Der Unterschied ist, dass damals die Taliban von außen finanzielle Unterstützung erhielten. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Außerdem geht aus dem Beschluss des Bundestages klar hervor, dass wir uns weder an Bodentruppen noch an Bombardements beteiligen werden. Insofern halte ich die Sorgen zwar für bedenkenswert, aber letztendlich doch für überzogen.

Kann sich die Bundesrepublik mit Blick auf die gegenwärtige militärische Lage in Afghanistan erlauben, erleichtert zu sein?

Ich glaube nicht, dass man sagen kann, die Taliban sind endgültig besiegt. Osama bin Laden ist noch nicht gefasst. Wir haben keinen Grund, erleichtert zu sein.

Die Vertrauensfrage als Mittel Ihrer Politik - können Sie sich grundsätzlich vorstellen, sie künftig mit anderen Themen zu verknüpfen?

Nein. Das war jetzt schon eine entscheidende außenpolitische Frage. Sofern nichts Unvorhergesehenes passiert, wird der Schwerpunkt unserer Arbeit in der Innnenpolitik liegen. Die Finanzlage und die Arbeitsmarktlage sind schwierig... .

Wieso ist die denn schwierig? Finanzminister Hans Eichel sagt uns doch immer, die Lage sei nicht so schlecht.

Es ist schon nicht leicht. Wir hätten uns gewünscht, einen größeren finanziellen Spielraum zu haben. Wir mussten weiter privatisieren, um die geplante Neuverschuldung einhalten zu können. Auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt macht uns Sorgen.

Wie wird der Kanzler den Bürgern in einem Jahr erklären, dass die Arbeitslosenzahl noch immer bei knapp vier Millionen liegt?

Warten wir doch erst einmal die September-Zahlen 2002 ab. Wir bemühen uns weiter, das angestrebte Ziel von 3,5 Millionen Arbeitslosen zu erreichen. Allerdings haben es die wirtschaftlichen Folgen der Anschläge des 11. September und die weltweite Konjunkturlage schwerer gemacht.

Die Zahlen sind schlecht. Werden die Gründe, die Sie dafür anführen, den Bürgern bei der nächsten Wahl einleuchten?

Die Bürger haben so viel politischen Verstand, dass sie sehen: Das ist keine hausgemachte Situation. Und sie werden anerkennen, dass sich die rot-grüne Bundesregierung bemüht.

Die rot-grüne Regierung soll also weitermachen, damit sie ihr Versprechen doch noch einlösen kann?

Die rot-grüne Regierung muss weitermachen. Wir haben ja das Land in einem Zustand übernommen, der es uns unmöglich macht, innerhalb von nur vier Jahren das alles zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben.

Dafür braucht die SPD einen Koalitionspartner. Kommt eigentlich die PDS nach ihrem strikten Nein zum Bundeswehreinsatz noch infrage?

Die Reden der PDS-Abgeordneten haben mich, gelinde gesagt, irritiert.

Die PDS scheidet nach diesen Reden als Bündnispartner aus?

Ja, eindeutig. Die PDS verkennt die internationale Bedeutung unseres Landes. Wer rein populistisch mit den Ängsten der Menschen spielt, kann doch keine Regierungsverantwortung übernehmen.

Ein potenzieller Regierungspartner der Sozialdemokraten scheidet damit aber aus. Bedauern Sie das nicht?

Nein. Ich halte die PDS auch aus innenpolitischen Gründen, etwa in Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik, für absolut koalitionsunfähig. Ich habe noch keinen realistischen Vorschlag in Sachen Finanzpolitik von dieser Partei gesehen.

Gilt Ihre Ablehnung der PDS auch auf der Ebene der Bundesländer?

Das ist Sache der jeweiligen Länder. Dort wird aber nicht über Außenpolitik und Steuern entschieden.

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