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Der Führer der griechischen Linken, Alexis Tsipras.

© dpa

Wie umgehen mit Griechenland?: Es gibt immer eine Alternative

Griechenlands Regierung braucht Geld für Investitionen, wenn die Verarmung gestoppt werden soll. Aber ein Schuldenerlass ist nur die zweitbeste Lösung. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Harald Schumann

Die Bundesregierung will es nicht, die EU-Kommission will es nicht und die Griechen wollen es schon gar nicht: Einen Austritt Griechenlands aus dem Euro lehnen alle wichtigen Akteure auf der europäischen Bühne ab, auch die griechische Linkspartei Syriza, die nach den Wahlen am 25. Januar voraussichtlich die stärkste Fraktion im Parlament stellen wird. Nicht nur würde die Rückkehr zur Drachme Griechenland noch tiefer in die Verarmung treiben. Zudem würde dies das Euro-System erneut destabilisieren.

Ein Schuldenerlass stehe nicht zur Verhandlung, versichern Schäubles Getreue

Deshalb sind alle Beteiligten zum Kompromiss verdammt. Aber sind sie auch dazu in der Lage? Syriza-Chef Alexis Tsipras wird darauf bestehen, dass die anderen Euro-Staaten Griechenland einen Teil der Schuldenlast nehmen, und gleichzeitig zugestehen, dass seiner Regierung genügend Geld bleibt, um die „humanitäre Krise“ bei der Versorgung mit Wohnraum, Strom und medizinischer Hilfe zu beenden und mit der Entschuldung von Haushalten und Unternehmen die Wirtschaft anzukurbeln. Dieses Versprechen muss er einlösen, andernfalls würde seine Partei ihm die Gefolgschaft versagen. Das wird aber rund zwölf Milliarden Euro im Jahr kosten, kalkuliert Syrizas Chefökonom Yannis Milios – eine Summe, die das Land nicht aufbringen kann, wenn es gleichzeitig alle Schulden bedient. Demgegenüber fordern Finanzminister Wolfgang Schäuble und seine Euro-Kollegen eisern die Fortsetzung des bisherigen Kurses. Ein Schuldenerlass stehe nicht zur Verhandlung, versichern Schäubles Getreue und wissen dabei zwei Drittel der deutschen Wähler hinter sich.

Aber auch die griechischen Reformer können sich auf breite Unterstützung berufen. Von den Experten des Internationalen Währungsfonds über Paul de Grauwe von der London School of Economics bis zu Marcel Fratzscher, dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), haben sich zahlreiche Fachleute für einen Schuldenerlass ausgesprochen. Der sei „so undenkbar, dass fast jeder Mainstream-Ökonom dafür ist“, spottete die „Financial Times“. Gemessen am Verhältnis der Staatsschuld zur Wirtschaftsleistung von 175 Prozent scheint das auch nur zu plausibel. Allein um die Zinsen zu bedienen und einen Anstieg der Verschuldung zu verhindern, muss der griechische Fiskus einen Überschuss im Wert von mehr als vier Prozent der Wirtschaftsleistung erzielen.

Besteuerung der Oligarchen

Allerdings würde ein Schuldenerlass zulasten der Steuerzahler der anderen Euro-Staaten gehen, gibt Gustav Horn, Chef des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, zu bedenken. Das würde „die Bereitschaft, Krisenländern weiterhin zu helfen, deutlich mindern“. Zudem könnte die Entwertung von Staatsanleihen eines Euro-Landes „den Risikoaufschlag“ für die anderen Krisenländer wieder in die Höhe treiben. Und nicht zuletzt könnten mit dem gleichen Recht auch Portugal oder Italien Entschuldung fordern. Deren Zinslast ist noch größer. Besser sei es daher, den „harten Sparkurs“ zu beenden und Griechenland mit Investitionen zu mehr Wachstum zu verhelfen, meint Horn. Wachse die Wirtschaft, schrumpfe auch automatisch die Schuldenquote.

„Wir sind ja keine Dogmatiker“

Genau das ist der Knackpunkt. Um Verluste auf ihre Griechenlandkredite zu vermeiden, müssten Schäuble und die anderen Hardliner bei EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) den Kurswechsel zulassen. Ironischerweise wäre schon viel erreicht, wenn sie die neue Regierung die Reformen durchziehen ließen, die sie selbst immer nur gefordert, aber anders als die radikalen Lohn- und Rentenkürzungen nie durchgesetzt haben: die Besteuerung der Oligarchen und die Zerschlagung des Schmuggelsystems für Ölprodukte. Gleichzeitig müssten zusätzliche Milliarden für Investitionen fließen. So könnte die EZB gegen die drohende Deflation statt Staatsanleihen solche der Europäischen Investitionsbank kaufen. Diese könnte mit dem Geld direkt langfristige Investitionen in den Krisenländern finanzieren, so wie das der griechische Ökonom Yannis Varoufakis vorgeschlagen hat. Möglich wäre zudem eine Koppelung der Zinszahlungen an das Wirtschaftswachstum, wie es DIW-Chef Fratzscher vorschlug. Die Zinslast würde damit den wirtschaftlichen Möglichkeiten angepasst.

Würde es so gelingen, die Wachstumsrate über die Höhe der Zinsrate zu treiben, wäre ein Schuldenerlass nicht mehr zwingend. Auch nicht für Griechenlands Linke. „Wir sind ja keine Dogmatiker“, versichert Syriza-Ökonom Milios. Hoffentlich gilt das auch für Griechenlands Gläubiger.

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