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Politik: Wieder weniger dicke Bäuche

Die Geburtenzahlen gehen zurück – das bringt Familienministerin Leyen in Erklärungsnot

Von Hans Monath

Berlin - Die Bundesfamilienministerin versuchte nicht, ihre eigene Überraschung zu verbergen: „Den ungewöhnlichen Einbruch der Geburtenzahlen im letzten Quartal 2008 hat niemand vorausgesehen“, erklärte Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag zu den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach setzte sich der Anstieg der Geburtenraten aus dem Jahr 2007 im vergangenen Jahr nicht fort. Zwar waren die Zahlen in den ersten neun Monaten bis September noch positiv ausgefallen. Doch ein Rückgang der Geburten in den Monaten Oktober bis November zog dann das Jahresergebnis auf ein Minus von 1,1 Prozent im Vergleich zu 2007 hinunter.

Angesichts der Negativmeldung stand die Ministerin unter besonderer Beobachtung. Noch vor wenigen Wochen hatte sie den anhaltenden Trend zum Kinderkriegen gefeiert, den sie damals angesichts vorläufiger Zahlen erwarten durfte. Die vermeintliche Erfolgsmeldung interpretierte sie damals als Bestätigung der eigenen Politik.

Einen Beleg für das Scheitern ihrer Anstrengungen zur Einführung des Elterngeldes, zum Ausbau der Infrastruktur für Familien und für eine familienfreundlichere Arbeitswelt wollte die CDU-Politikerin in den neuen Zahlen nicht erkennen. Vielmehr kündigte sie an, den Kampf für Erleichterungen für junge Familien fortzusetzen. „Hier müssen wir einfach noch besser werden“, sagte sie.

Der Aufschwung der Geburtenzahlen und der Einbruch Ende 2008 zeigten, „was der Mut zu Kindern für ein zartes Pflänzchen ist“, meinte die Ministerin. Entscheidend seien aber nicht kurzfristige Entwicklungen, sondern die Jahre bis 2013, sagte sie mit Blick auf den geplanten Ausbau der Betreuungsplätze. Von diesem Jahr an gilt der Rechtsanspruch für einen Kita-Platz für Kinder unter drei Jahren.

Familienexperten aus der Wissenschaft setzen gewöhnlich sogar noch eine längere Frist an, nach deren Ablauf sie mit messbaren Erfolgen der neuen Familienpolitik rechnen. So sagte der Familiensoziologe Hans Bertram von der Berliner Humboldt-Universität kürzlich bei der Vorstellung des Familienreports, der Instrumentenmix aus Ausbau der Infrastruktur, gezielter finanzieller Förderung wie dem Elterngeld und einem besseren Zeitmanagement für Familien vor allem in der Arbeitswelt werde sich nach etwa zehn Jahren in der Geburtenrate niederschlagen. Demografen unter den Familienforschern beschreiben teilweise noch längere Wirkungszeiten von familienpolitischen Entscheidungen.

Renommierte Familienforscher weisen stets darauf hin, dass einzelne Instrumente der Familienpolitik wie etwa das Elterngeld keine langfristige Wirkung versprechen, sondern nur eine Kombination von politischen Angeboten potenzielle Eltern zum Kinderkriegen ermutigt. Mangels genauer Daten, wie sie erst eine Volkszählung in Verbindung mit gezielten Befragungen liefern würde, lassen sich auch keine Aussagen darüber treffen, ob die Geburtenrate ohne das Elterngeld nicht noch niedriger ausgefallen wäre.

Die Grünen warfen der Familienministerin vor, Scheinerfolge zu feiern. „Weder der im Schneckentempo vorwärtsgehende Ausbau der Kindertagesbetreuung noch das Elterngeld haben dazu geführt, dass sich mehr junge Menschen für Kinder entscheiden“, sagte die Familienpolitikerin Ekin Deligöz. Es sei an der Zeit, das überholte Ehe- und Familienfördersystem grundlegend umzubauen, von dem Familien mit hohem Einkommen überproportional profitierten.

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