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Politik: Wiedereinstieg

Seit Tschernobyl lagen Ägyptens Atompläne auf Eis – nun sind sie wieder aktuell

Während der Iran wegen seines umstrittenen Atomprogramms gerade in einer dritten Runde mit UN-Sanktionen belegt wurde, hat Ägypten einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Bau von Atomkraftwerken getan. Die Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens für zivile Atomenergie zwischen Moskau und Kairo wird der russischen Atomenergiebehörde erlauben, sich an der Ausschreibung für den Bau von Kernkraftwerken in Ägypten zu beteiligen. Es wird damit gerechnet, dass noch in diesem Jahr die Ausschreibung für das erste von vier geplanten Atomkraftwerken veröffentlicht wird, dessen Bau 1 bis 1,2 Milliarden Euro kosten soll.

Bis 2016 will Ägypten den ersten Atommeiler am Mittelmeer einweihen. Für Russland ist das Abkommen, das beim Staatsbesuch des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak unterzeichnet wurde, ein wichtiges Instrument zur Stärkung des Einflusses in der arabischen Welt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war diese traditionelle Einflusssphäre verloren gegangen. Nun will Russland durch Technologietransfer und Waffenverkäufe sowie Vermittlung im Nahostkonflikt in der Region wieder an Boden gewinnen.

Ägypten hatte 2006 den Wiedereinstieg in die zivile Atomenergie angekündigt. Im Oktober 2007 hatte Mubarak präzisiert, dass mehrere Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Damit nimmt Ägypten Pläne wieder auf, die nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl 1996 auf Eis gelegt worden waren. Die USA signalisierten Zustimmung und boten technische Kooperation an. US-Regierungsvertreter betonten, es gebe keinen Vergleich zwischen Ägyptens Plänen und dem iranischen Atomprogramm. Die USA fürchten, der Iran wolle die Urananreicherung zur Herstellung von Atomwaffen nutzen.

Allerdings hatte auch Ägypten schon Ärger mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO). Die Regierung hatte die IAEO nicht ausreichend über die Arbeiten im einzigen Forschungsreaktor unterrichtet, der seit 1996 weiterbetrieben wurde. Daher nahm die Behörde 2005 Untersuchungen auf, Ägypten räumte Versäumnisse ein. Die IAEO kam zu dem Schluss, dass Ägypten zwar die Forschung vorangetrieben, aber kein Uran angereichert habe.

Das Land am Nil rechtfertigt den Einstieg in die Atomenergie mit dem steigenden Strombedarf um jährlich sieben Prozent und den auslaufenden Öl- und Gasvorkommen des Landes. Bereits heute leidet die Bevölkerung immer wieder unter Stromausfällen. Alle zehn Monate wächst die Bevölkerung um eine Million Menschen. Nach Angaben des Atomwissenschaftlers Abdel-Hakim Kandil von der Helwan-Universität verbraucht Ägypten derzeit jährlich 21 000 Megawatt Strom, der Bedarf werde in „absehbarer Zeit“ jedoch auf 63 000 Megawatt steigen.

Allerdings fordern Umweltschützer, dass Ägypten zunächst alternative Energiequellen wie Sonne und Wind, die reichlich vorhanden sind, nutzt. „Sie sollten Priorität haben vor Nuklearenergie“, meint der Koordinator des Arabischen Umweltschutznetzwerkes Mohammed Mahmoud. Angesichts der Energieknappheit glaubt allerdings selbst Mahmoud, dass Ägypten „eines Tages auf Atomstrom zurückgreifen muss“.

Neben Ägypten planen auch die Golfstaaten, die Irans Atomprogramm kritisch gegenüberstehen, den Einstieg in die zivile Atomenergie. Der Golfkooperationsrat hatte Ende 2006 verkündet, er plane den Bau eines gemeinsamen Atomkraftwerkes. Unabhängig davon denken Mitgliedsländer wie die Vereinigten Arabischen Emirate über einen eigenen Reaktor nach. Dabei können sie auf die Unterstützung der USA hoffen. Auch Frankreich verspricht sich lukrative Verträge. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat bereits Kooperationsabkommen in Sachen Atomkraft mit Algerien, Libyen und Dubai unterzeichnet. Bisher verfügt kein arabisches Land über Atomkraft.

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