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Irakische Polizisten an einem Checkpoint in Bagdad. Einheimische Sicherheitskräfte sollen den Dokumenten zufolge massiv gefoltert haben.

© REUTERS

Wikileaks: Der Premier und die Protokolle

Iraks Regierungschef Nouri al Maliki sieht durch die Veröffentlichung der Dokumente den nationalen Frieden gefährdet – sie enthalten auch Vorwürfe gegen ihn.

Auch wenn nicht wirklich Überraschendes in den geheimen Pentagon-Dokumenten steht, finden sich darin doch schwarz auf weiß weitere Belege für unangenehme Wahrheiten, denen sich der bisherige Regierungschef Nouri al Maliki stellen muss. Die Wut und das Gefühl der Ohnmacht vieler Iraker gegen die amerikanischen und die irakischen Truppen könnten noch zunehmen. In seiner Reaktion beschuldigte Maliki die Verantwortlichen der Internetplattform daher, nationalen Unfrieden auszulösen, weil die Dokumente gegen die Parteien und ihre Führer, vor allem gegen den Premier eingesetzt werden könnten. In seiner Mitteilung stellte der Premier besonders den Zeitpunkt der Publikation infrage. Er vertraue aber darauf, dass die Iraker dieses politische Spiel und die Medienblase durchschauen würden.

Maliki versucht seit mehr als sieben Monaten eine Regierung zu bilden. Zwar hat er die Wahlen im März nicht gewonnen, aber er unternimmt alles, eine Koalition zu schmieden, damit er eine zweite Amtszeit anhängen kann. Viele der neuen Missbrauchs- und Foltervorwürfe gegen die irakischen Sicherheitskräfte fallen in seine Regierungszeit, und die Mehrheit der Opfer sind Sunniten. Nach der Durchsicht der Papiere werfen irakische und arabische Medien dem Schiiten Maliki ganz direkt vor, Spezialeinheiten unter seinem Befehl hätten mit Todesschwadronen und Folter gezielt Sunniten unterdrückt.

Die neuen Enthüllungen geben Malikis Kritikern Auftrieb, die verlangen, dass die Machtfülle des Regierungschefs beschnitten werden müsse. Sie stärken jene Kräfte, die eine angemessene Vertretung der Sunniten im neuen Kabinett fordern. Dazu gehören insbesondere auch die USA, die darüber hinaus die Schaffung eines Sicherheitsrates angeregt haben, um die Macht besser auszubalancieren. Erst vor wenigen Tagen ist der amtierende Regierungschef aus Teheran zurückgekehrt. Dort hat er die Unterstützung des Regimes für eine zweite Amtszeit erhalten. In der heiligen Stadt Qom hatte er zudem den jungen Kleriker Moqtada al-Sadr getroffen. Auch Sadr hatte sich kürzlich hinter Maliki gestellt, nachdem seine Gruppierung zuvor vehement gegen eine neue Amtszeit für Maliki gekämpft hatte.

Ausgerechnet Sadr und seine Mehdi-Armee werden in den Wikileaks-Dokumenten als eine der zentralen Organisationen genannt, über die der Iran seinen Einfluss im Zweistromland politisch und militärisch geltend macht. In den 400 000 Seiten finden sich viele Zeugnisse, wie der Iran die schiitischen Milizen im Irak mit Waffen aller Kaliber ausgerüstet und trainiert hat. Daraus ergibt sich das Bild einer Doppelstrategie: Teheran versucht eine genehme Regierung in Bagdad zu installieren, sorgt aber auch dafür, dass sie nie zu stark wird und setzt alles daran, den amerikanischen Einfluss im Irak zu vermindern.

Auch in den arabischen Nachbarländern hat die Veröffentlichung der Wikileaks-Dokumente ein großes Echo ausgelöst, die Kommentatoren stuften sie aber nicht als überraschend ein. Ganz unterschiedlich fiel ihre Schwerpunktsetzung aus. Die große panarabische Tageszeitung „ Al-Sharq al-Aswat“ titelte „Iran versuchte die irakische Regierung zu schwächen“, während die große Zeitung „Al-Hayat“ die Forderung der UN an die USA, die Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, an die Spitze stellte. Andere Medien legten das Gewicht auf die neuen, höheren Opferzahlen in diesem „Blutbad“, wie ein Blatt aus den Emiraten formulierte. Die saudische „Arab News“ verteidigte die Veröffentlichung der geheimen Dokumente. Nur wenn die Verantwortlichen der Misshandlungen zur Rechenschaft gezogen würden, könnte eine Wiederholung der Ereignisse im Irak verhindert werden, hieß es im Leitartikel.

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