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Wikilieaks: Die Bürger kennen den Horror längst

Willkürliche Schießereien durch US-Soldaten, Leichenschändung, Säureattacken irakischer Polizisten gegen Verdächtige: Im Irak wirbeln die teilweise grausigen Details, die in den von Wikileaks veröffentlichten Aufzeichnungen der US-Armee zu finden sind, wenig Staub auf.

Bagdad/Istanbul - Über die Menschenrechtsverletzungen durch amerikanische und irakische Soldaten wissen die Iraker ohnehin Bescheid – entweder aus eigener leidvoller Erfahrung, aus den Erzählungen von Verwandten und Nachbarn oder aus den Parteimedien, die allerdings meist über die Grausamkeiten ihrer eigenen Klientel schwiegen. „Ich glaube nicht, dass das irakische Volk von der Fülle von Informationen über Menschenrechtsverletzungen der US-Armee während der Besatzungszeit überrascht sein wird, denn jeder Iraker kann selbst über solche Vorfälle berichten“, erklärt der irakische Parlamentarier Mohammed Ikbal von der sunnitischen Konsensfront-Partei. Er begrüßt die Veröffentlichung trotzdem: „Damit die Menschen in den anderen arabischen Ländern und im Westen auch die Wahrheit erfahren.“

Zudem ist bei einigen Menschen im Irak durch die Jahrzehnte von Krieg, Besatzung und Staatsterror eine gewisse Abstumpfung eingetreten. Denn es gibt kaum eine Familie, die von den Brutalitäten der Saddam-Ära, dem Schrecken der US-Invasion, den Selbstmordanschlägen und dem Milizenterror verschont blieb. Schließlich aber sind die Parteien und Reporter im Irak im Moment vor allem mit einer Frage beschäftigt: Wann gibt es endlich eine neue Regierung und wie wird sie aussehen? Denn die Parlamentswahl liegt schon mehr als sieben Monate zurück und die siegreichen Parteien haben sich noch immer nicht auf die Bildung einer Koalitionsregierung geeinigt.

In dieser Situation vermuten einige irakische Beobachter, dass die Veröffentlichung der Armee-Dokumente dem amtierenden schiitischen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki schaden könnten. Denn sie belegen, dass auch die ihm unterstellten Einheiten an Misshandlungen beteiligt waren und dass ihre Opfer vor allem Sunniten waren.

Al-Maliki sucht in diesen Tagen nach Unterstützung für eine zweite Amtszeit, in Bagdad, Washington, Teheran, Damaskus und Ankara.Ein Mitglied von Al-Malikis Rechtsstaat-Partei bemühte sich deshalb am Samstag um Schadensbegrenzung. Adnan Al-Schahmani sagte der irakischen Nachrichtenagentur Ina, in den Dokumenten würden viele Ereignisse verfälscht dargestellt. „Al-Maliki hat im Umgang mit Sicherheitsfragen nie darauf geschaut, wer welcher Religionsgruppe angehört.“ Anne-Beatrice Clasmann/dpa

Anne-Beatrice Clasmann, dpa

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