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Wildbad Kreuth: Die CSU in der 41-Prozent-Starre

Was nicht sein kann - und nicht sein darf: Die CSU hat derzeit keine weiteren Probleme und wird dennoch bei ihrer Kreuther Klausurtagung von einer Zahl geschockt.

Von Robert Birnbaum

Mit den Wahlumfragen ist es so, dass es bisher gute gab und schlechte. Die CSU hat die einen wie die anderen erlebt. Aber was Renate Köcher der CSU-Landesgruppe am Montagabend im Keller des alten Wildbads von Kreuth präsentiert hat, ließ dann doch einige zusammenzucken. Es war eine einzige Zahl, sie stand auf einer der Folien, die die Chefin des Instituts für Demoskopie Allensbach den Klausurteilnehmern vorführte: 41 Prozent. Für die CSU. Als Stimmungswert für die Christsozialen bei einer Bundestagswahl. Weniger als im Jahr des Schreckens, als die absolute Mehrheit fiel. Seit diese Zahl auf der Folie der Frau Köcher auftauchte, kennt die CSU eine ganz neue Form der Wahlumfragen: solche nämlich, die doch gar nicht wahr sein können.

Ein paar Stunden später steht Horst Seehofer im Gang neben dem Molkesaal, unter dessen Kristalllüstern sich das Heerlager der Presse ausbreitet mit seinen Kameras, Laptops und Kaffeetassen. Der CSU-Chef wird später eine richtige Pressekonferenz geben, aber bestimmte Botschaften wird er lieber vorher los. Zum Beispiel, dass er selber in die Schreckminuten hinein die Frau Professor Doktor gefragt hat, ob sie denn auch Zahlen für Niedersachsen habe. Nein, hat Köcher gesagt, so genau habe man nicht differenziert. Also, sagt Seehofer, „hat sie keine Länderumfragen“. Außerdem fehlten, wenn man alle Zahlen auf Köchers Folie zusammenrechnete, ganze elf Prozent, die die Demoskopin aber auch nicht erklären konnte. „Mi-se-ra-bel“ sei der Auftritt der Pythia vom Bodensee gewesen, schimpft ein CSU-Grande, im Grunde eine Blamage für ein renommiertes Institut. Sogar der Altvorsitzende Theo Waigel hat sich kopfschüttelnd zu Wort gemeldet und Ungereimtheiten bemängelt. Seehofer sagt nur: „Also.“ Die Schlussfolgerung überlässt er anderen. „Diese Zahlen stimmen nicht“, lautet eine solche, abgegeben von Generalsekretär Alexander Dobrindt.

Trotzdem beschäftigen sie die CSU-Oberen tags darauf recht ausgiebig. Das hat neben dem allgemeinen Schockpotenzial und dem Mangel an anderen Themen bei dieser Kreuther Klausur noch einen kleinen konkreten Grund. Wenn sie nämlich doch stimmen sollten, die Zahlen, läge womöglich eine Erklärung nahe. Politisch ist fast nichts passiert in den letzten Wochen seit den letzten Umfragen aller anderen Institute, die die Bayern-Partei durchweg bei 46 Prozent und mehr sahen.

Fast nichts – bis auf Horst Seehofers Notenkonferenz. Die fand bekanntlich beim Vorweihnachtsessen mit der Landtagspresse statt und gipfelte in der offen vorgetragenen Einschätzung des Markus Söder als eines von Ehrgeiz zerfressenen Tricksers, der über Parteifreunde hinter deren Rücken „Schmutzeleien“ verbreite. Der brutale Ausfall des Chefs gegen Untergebene hat seinerzeit unter CSU-Abgeordneten Reaktionen ausgelöst, die mit „gequälte Mienen“ nur unzureichend beschrieben sind.

In Kreuth spielt der Vorfall amtlich keine Rolle. Nur ein ehemaliger Landesgruppenchef ulkt im Keller so laut, dass es viele hören können, der Schnee draußen vor dem Wildbad sei in diesem Jahr doch etwas „schmutzelig“. Der Rest der CSU-Führung versichert aber, es handele sich um Schnee von gestern, was meteorologisch immerhin korrekt ist. Landtagsfraktionschef Georg Schmidt erinnert an das Versöhnungsgespräch vor Weihnachten, an dem er selbst auch teilnahm, und versichert: „Es ist besprochen, es ist erledigt.“ Bereut hat Seehofer die Attacke aber nicht, und es gibt sogar Leute in seiner Nähe, die sie als „einmal notwendig“ verteidigen: dem Finanzminister und eventuellen Kronprinzen Söder habe aufgezeigt werden müssen, was dem drohe, der selbst in Hintergrundgesprächen Gift versprühe.

Schon verständlich also, dass aus übergeordneten wie aus ganz speziellen Gründen diese 41 nicht sein darf. Größere Bemühungen, das Rätsel vom Bodensee aufzuklären, sind übrigens nicht bekannt geworden. Am Mittwoch um elf kommt ja auch der Bayerische Rundfunk mit seiner nächsten Umfrage für die Landtagswahl im Herbst. Und die, sagt Fraktionschef Schmidt schon voraus, werde die CSU auf 48, 49 Prozent katapultieren. Die Allensbacher 41 bliebe dann rätselhafte Episode. „Wir glauben nur eigenen Umfragen“, sagt ein CSU-Präsidiumsmitglied. Das soll ein Scherz sein.

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