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Politik: Willkommen in der neuen Welt

Javier Solana, Außenpolitik-Koordinator der EU, wirbt in New York für Europa als Verständigungsmacht

Gefahr liegt in der Luft, wenn Javier Solana zu amerikanischen und deutschen Journalisten des Arthur-F.-Burns-Austauschprogramms spricht. 1999 war der spanische Sozialist Nato-Generalsekretär, die Allianz führte ihren ersten Krieg: gegen Serbien wegen Kosovo. Für die Begegnung in Berlin hatte Solana erstmals seit Kriegsbeginn Brüssel verlassen, es war der 7. Mai. Unterwegs rief Sandy Berger an, Bill Clintons Sicherheitsberater. „Uns ist ein schrecklicher Fehler passiert. Wir haben die chinesische Botschaft in Belgrad bombardiert.“

Am Mittwoch traf Solana abermals Burns-Stipendiaten, in New York. Als er die Episode erzählt, geht ein Raunen durch den Saal. „Mein Gott, was wird heute Nacht passieren?“ Er ist jetzt Beauftragter für die gemeinsame EU-Außenpolitik – genauer: er verkörpert die Idee, dass es die geben sollte. Tatsächlich machen 27 EU-Staaten nationale Außenpolitik. Ob Irak, Palästina, Afghanistan: Sie sprechen selten mit einer Stimme.

In wenigen Wochen wird das Thema Kosovo die europäische Einigkeit auf eine neue Probe stellen. Die Provinz ist auf dem Weg zur Unabhängigkeit. Dafür wird ein ganz breiter Konsens gebraucht, in den Vereinten Nation – ohne Veto eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrats. Dieser sanfte Gang ist nicht sicher, schon gar nicht seit Wladimir Putins Rede in München. Serbien will die Abspaltung verhindern, Russland ist seine Schutzmacht.

Die USA haben einen Plan B: Wenn Moskau in den UN blockiert, könnten Amerika und die EU-Staaten Kosovo bilateral anerkennen. So hat es Deutschland zu Beginn der Balkankriege mit Kroatien und Slowenien gemacht. So ging es auch mit Mazedonien, als Griechenland die Souveränität der südlichsten Provinz Ex- Jugoslawiens verhindern wollte. Würden die Europäer den USA dann folgen?

Typisch Solana: Er antwortet nicht direkt, auch auf Nachfrage ist kein Ja oder Nein zu bekommen. Er erzählt, wie schwierig es für die Serben sei, die Provinz zu verlieren, in der wichtige orthodoxe Klöster stehen – und wie problematisch für die russische Öffentlichkeit, die orthodoxen Brüder im Stich zu lassen. Die EU als Verständigungsmacht: Dafür wirbt Europas „Mister Außenpolitik“. Ohne persönliches Vertrauen gibt es keine Lösungen. Für die amerikanischen Journalisten ist es eine gewöhnungsbedürftige Art, auf konkrete Fragen zu antworten, etwa, wie es jetzt mit dem Iran weitergeht, ob ihn Präsident Bushs Anklagen beunruhigen, der Iran liefere die Waffen im Irak, die US-Soldaten töten?

Ali Laridschani, Irans Chefunterhändler im Atomstreit, habe ihn beeindruckt, beginnt Solana. Der habe als Jugendlicher an der Front gelegen im Krieg zwischen Iran und Irak. Man muss versuchen, Biografien und Beweggründe zu verstehen, das ist sein Appell. Der Westen tue sich schwer, Vertrauen zu wecken. Das sei jetzt aber besonders nötig. Das Machtgefüge in der Weltpolitik verändert sich, Regierungen verlieren Einfluss. Wirtschaft, Medien und NGOs (Nichtregierungsorganisationen) gewinnen dazu. Solanas Belege: Gäbe es die Firma Gasprom nicht, hätte Putin seine Münchner Rede nie so gehalten. Die NGOs haben mehr Mitarbeiter als die westlichen Staaten Soldaten in ihren Armeen. Saddams Hinrichtung hatte so große Wirkung, weil sie per Handy aufgenommen und medial verbreitet wurde. „Wir müssen Platz machen am Tisch der Mächtigen“ für die neuen Spieler, sagt Solana: auch für Länder wie China, Indien, Brasilien. Ihr Verhalten hänge davon ab, wie „wir sie heute behandeln“.

Es ist ein fremder Ansatz für die USA. Seinen Platz am Tisch hat Solana. Beim Treffen des Nahostquartetts (USA, Russland, EU, UN) in Washington saß er soeben neben US-Außenministerin Rice. Die US-Medien richteten nicht eine Frage an ihn. Es fällt ihnen schwer, diesen Mann einzuordnen, der angeblich selbst dann für Europa spricht, wenn 27 EU-Staaten sich nicht einigen können.

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