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Politik: „Wir brauchen mehr Wettbewerb“

Philipp Mißfelder, Chef der Jungen Union, über die Gesundheitsreform und den Zwang zur Vorsorge

Im Streit um die Gesundheitspolitik zeichnet sich eine Kompromisslinie ab: Mehr Geld soll alles richten.

Auf Dauer braucht das System sicherlich mehr Geld, aber die Verkürzung des Problems hierauf geht am eigentlichen Kern der Sache vorbei.

Aber nicht nur die SPD, sondern auch ihre Partei will mehr Geld ins System pumpen. Die Gesundheitsversorgung der Kinder etwa soll über Steuern finanziert werden.

Die Ausklammerung der Kinder aus der Generationensolidarität scheint mir mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Pflegeurteil unmissverständlich klargestellt, dass Kinder in unseren Sozialversicherungssystemen nicht als versicherungsfremde Faktoren behandelt werden dürfen. Eine Abdeckung der Gesundheitskosten für Kinder über Steuern statt über direkte Beiträge würde in Karlsruhe keinen Bestand haben.

Für das Fondsmodell von Unions-Fraktionschef Kauder zeigten sie sich aber offen.

Das stimmt, aber mich haben die Argumente des Sozialrichters Jürgen Borchert, eine über alle Parteigrenzen hinweg geschätzte Autorität, letztlich überzeugt. Wir müssen uns schon die Mühe machen, bei allem, was wir tun, die Grundwerte, die uns wichtig sind, und die Vorgaben des Verfassungsgerichtes zu achten. Und hierzu zählt eben auch, dass Familien mit Kindern unterm Strich nicht noch mehr Lasten aufgebürdet bekommen dürfen, sondern tendenziell entlastet werden müssen.

Aber ist es nicht genau das, was Kauders Modell und die Steuerfinanzierung der Gesundheitskosten für Kinder anstrebt?

Das Ziel ist richtig, doch eines wird nicht beachtet. Über die Steuerlast werden die Eltern dann eben doch wieder mehr als heute für die Gesundheitskosten ihrer eigenen Kinder belastet. Borchert hat, wie ich finde, das plausibel dargelegt: Wenn die Kosten der Kinder nicht über die Beiträge, sondern über Steuern finanziert werden sollten, dann bedeutet dies steigende Lasten für Familien mit Kindern.

Wieso reichen Ihnen die Anstrengungen der Gesundheitspolitiker, die Kostendynamik in den Griff zu bekommen, nicht aus?

An der gegenwärtigen Diskussion stört mich, dass alle nur über Kostensenkung und Einnahmenmehrung reden. Aber kaum jemand interessiert sich für die viel spannendere Frage: Wie können wir das gegenwärtige Niveau der Gesundheitsversorgung nicht nur halten, sondern zukünftig qualitativ verbessern.

Wie soll denn das gehen? Gleichzeitig Sparen und Qualitätsverbesserung?

Nur wenn tatsächlich Freiheit und Wettbewerb zu Leitprinzipien der Gesundheitsversicherung werden. Bei den momentan diskutierten Modellen wird immer nur eine Seite des Problems betrachtet, nämlich die Einnahmeseite, ohne das Grundübel des Systems anzupacken.

Was worin besteht?

Vor allem in Intransparenz und mangelndem Wettbewerb. So kann ein wirklicher Gesundheitsmarkt gar nicht erst entstehen. Wir brauchen nicht noch mehr Bürokratie und Umverteilungsbehörden, sondern mehr Wettbewerb. Und ungenügend ist auch eine Gesundheitspolitik, die nur darauf setzt, Krankheiten zu kurieren und fast nichts dafür tut, Krankheiten durch Vorsorge zu verhindern. Daher plädiere ich dafür, viel mehr auf Prävention zu setzen. Das Vorbeugen gegen Krankheiten entlastet nicht nur von Kosten im Gesundheitssystem, sondern bedeutet vor allem auch eine erhebliche Steigerung von Lebensqualität all jener Menschen, die durch Vorsorge nicht zu Patienten werden.

Können Sie das etwas näher erläutern?

Es müssen starke Anreize geschaffen werden, sich gesundheitsbewusster zu verhalten. Die Versicherten sollen mehr motiviert werden, sich gesund zu ernähren, sich zu bewegen und sich an den Rat des Arztes zu halten. Wie wenig Beachtung wir bisher der Vorsorge schenken, sieht man daran, dass die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen für primäre Prävention pro Versicherten jährlich nur bei rund zwei Euro liegen.

Vorsorge allein wird den Kostendruck kaum aus dem System heraus nehmen.

Deshalb müssen wir auf mehr Wettbewerb und Transparenz setzen. Allein schon durch die Abschaffung der vor allem Geld verschlingenden Megabürokratie der Kassenärztlichen Vereinigung wäre viel gewonnen. Ein weiter Ansatz, der ganz unmittelbar an einem hochschraubenden Faktor der Kostenspirale greifen würde, wäre es, die Apotheker stärker in die Gesundheitsversorgung einzubeziehen. Wenn der Arzt zukünftig nur noch einen Wirkstoff, nicht aber ein konkretes Medikament verschreibt, würde dies automatisch zu einer gewissen Entmachtung der Pharmaindustrie führen. Denn dann regelt es der Markt über den Preis und nicht ein undurchsichtiges System. Und profitieren würden von einem solchen Verfahren vor allem die Patienten. Denn der eigentliche Fachmann für die Verordnung der jeweils angemessenen Medizin ist der Apotheker.

Ein weiterer Kostentreiber ist die Apparate- und Hightech-Medizin.

Wenn alle Menschen dauerhaft an den Fortschritten der Medizintechnik partizipieren sollen, dann müssen wir hier sehr viel wirtschaftlicher vorgehen. Es muss doch nicht in vielen Praxen ein Computertomograph stehen, der aber nur wenige Stunden am Tag ausgelastet ist. Verstärkte Zentrenbildung für Hightech-Apparaturen und gleichzeitig längere Tages- und Wochenauslastungen solcher Geräte würden ungeheuer viele Kosten sparen helfen.

Die Fragen stellte Peter Siebenmorgen.

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