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Politik: „Wir haben jetzt den Ernstfall“

Der Verdacht auf Geflügelpest in Deutschland hat sich bestätigt – und schon wird wieder über das Impfen gestritten

Es besteht kein Zweifel mehr. In einem Masthähnchenbetrieb im Kreis Viersen ist die Geflügelpest ausgebrochen. Die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV) hat den Verdachtsfall, der Ende vergangener Woche bekannt geworden ist, am Dienstag bestätigt. Nach Auskunft des BFAV-Präsidenten Thomas Mettenleitner ist die hochansteckende Krankheit nachgewiesen worden. Es handele sich um denselben Virenstamm, der auch die Geflügelpest in den Niederlanden und Belgien ausgelöst habe. „Wir haben jetzt den Ernstfall“, sagte Alexander Müller, Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, am Dienstag.

Das Agrarministerium in Nordrhein-Westfalen hatte schon nach Bekanntwerden des Verdachtsfalles reagiert, als wäre der Ernstfall eingetreten. „Was seuchenrechtlich zu tun ist, ist getan“, lobte die Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums in Berlin, Ursula Horzetzky. Das sieht auch EU-Verbraucherkommissar David Byrne so. Nachdem Brüssel am Montag ein Exportverbot für Geflügel aus Nordrhein-Westfalen erlassen hatte, sieht er keine Notwendigkeit, dieses Verbot auf ganz Deutschland auszudehnen. „Alle erforderlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit sind getroffen“, sagte sein Sprecher. Allerdings verhängten Japan, Israel und Polen ein Einfuhrverbot für deutsches Geflügel, berichtete Müller im Anschluss an eine Sitzung des Krisenstabs.

Bereits am Wochenende waren 82 000 Hühner und Masthähnchen im Umkreis von drei Kilometern um den betroffenen Hof vorsorglich getötet worden. Ein weiterer Verdachtsfall ist seither nicht aufgetreten. Alexander Müller hält es deshalb für möglich, dass der Ausbruch ein „singuläres Ereignis“ bleiben könnte. Allerdings haben das die Niederländer auch mehrfach gehofft. Dort sind mehr als 25 Millionen Tiere vorsorglich getötet worden, um die Ausbreitung zu stoppen.

Die Geflügelpest wird von Viren ausgelöst, die Erregern gleichen, die beim Menschen eine schwere Grippe auslösen können. „Eier und Geflügelfleisch sind für den Menschen nicht gefährlich“, versicherte Alexander Müller. Allerdings gibt es ein Ansteckungsrisiko für Menschen, die mit dem Geflügel zu tun haben, also Landwirte und Tierärzte.

Der nationale Krisenstab von Bund und Ländern unterstützte den Antrag der nordrhein-westfälischen Agrarministerin Bärbel Höhn (Grüne) in Brüssel, Zootiere und seltene Rassetiere vorsorglich impfen zu dürfen. Allerdings sagte Thomas Mettenleitner, dass es für Zoovögel keinen in Deutschland zugelassenen Impfstoff gebe. In den Niederlanden und Belgien, wo Zootiere geimpft werden, wird ein Serum eingesetzt, das bisher nur an Hühnern erprobt wurde.

Bärbel Höhn forderte erneut vorsorgliche Massenimpfungen, wollte aber keinen Antrag bei der EU stellen. „Das würde nicht durchkommen“, sagte sie. Alexander Müller wies dagegen darauf hin, dass ein dauerhafter Schutz auch durch eine Impfung nicht zu erreichen sei. Das Virus sei sehr variabel, bestätigte auch Maria-Elisabeth Krautwald- Junghanns. Die Professorin für Vogelkrankheiten an der Universität Leipzig setzt sich dennoch für eine Aufhebung des europäischen Impfverbots ein. Bei wertvollen Tieren wie Puten lohne sich eine Impfung auch wirtschaftlich, sagte sie dem Tagesspiegel. Außerdem bestehe die hauptsächliche Tätigkeit von Geflügeltierärzten inzwischen darin, die Tiere gegen alle möglichen Krankheiten zu impfen. Der Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, Wolfgang Apel, forderte sogar, sich in Deutschland „über das EU-Impfverbot hinwegsetzen“. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er: „Es dürfen nicht wieder Hunderttausende oder sogar Millionen gesunde Tiere getötet und als Müll entsorgt werden.“

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