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Politik: „Wir haben kaum mehr als Hustensaft“

Helfer berichtet aus einem Flüchtlingslager im Süden Sri Lankas / Jeden Tag kommen neue Verletzte

Von Matthias Schlegel

Sönke Weiss kann die Erregung in der Stimme nicht verbergen: „Die Situation wird von Tag zu Tag schlechter. Die Nahrungsmittel gehen zur Neige, an Medikamenten haben wir kaum mehr als Hustensaft. Das Wasser ist unsauber.“ Der Medienkoordinator von World Vision steht mit seinem Handy in der dreistöckigen Markthalle von Galle am Südzipfel Sri Lankas, 120 Kilometer südlich der Hauptstadt Colombo. 1500 Menschen, die meisten verletzt, haben hier Zuflucht gefunden, nachdem sie bei der Katastrophe ihr Obdach verloren hatten. „Und es werden ständig mehr, die irgendwo verletzt aufgefunden werden“, sagte Weiss dem Tagesspiegel in einem Telefongespräch.

Das größte Problem für dieses Flüchtlingslager, eines von rund 100 in Galle und Umgebung, ist das verschmutzte Trinkwasser. Von ihm drohen Krankheiten und Seuchen auszugehen. Bereits am Sonnabend hatte Weiss eine erschreckende Nachricht verkündet: In diesem Lager habe ein einheimischer Arzt schon vier Fälle von Cholera festgestellt. Einen Tag später dementierte Sri Lankas Gesundheitsminister Nimal Siripala de Silva diese Darstellung. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er am Sonntag, es gebe „keinen einzigen bestätigten Fall von Cholera“. Weiss konnte sich am Sonntag diesen unterschiedlichen Erkenntnisstand nicht erklären. Der Arzt, mit dem er gesprochen habe, sei vertrauenswürdig gewesen, sagte er nur.

Das Leid in Galle, einer Stadt, die vor der Flut 120 000 Einwohner zählte, nimmt immer größere Ausmaße an, je deutlicher die Dimension der Katastrophe wird. Hatten die Helfer zunächst mit 200 000 Obdachlosen in dieser Region gerechnet, hat sich die Zahl inzwischen verzehnfacht, inzwischen seien es schon zwei Millionen. Nahezu 30 000 Tote sind auf der Insel bereits gemeldet, doch die Experten rechnen mit einer Zahl weit über 40 000.

„Diese Ecke der Welt scheint vergessen worden zu sein“, sagte Weiss und schränkte doch sogleich selbst wieder ein, dass das Ausmaß der Katastrophe einfach die Hilfsmöglichkeiten überfordere. „Alle tun ihr Bestes“, sagte er. „Aber mit solch einem furchtbaren Szenario konnte niemand rechnen.“

In der notdürftig zum Auffanglager umgerüsteten Markthalle ist nach Aussagen von Weiss ein einziger Arzt für 1500 Menschen zuständig. Nur sieben Toiletten seien vorhanden. Wegen der mangelhaften medizinischen Betreuung und der schlechten hygienischen Bedingungen könnten selbst kleinste Verletzungen sehr rasch zu schweren Erkrankungen führen. Das Trinkwasser werde aus Brunnen geschöpft und sei nach Aussagen Einheimischer verschmutzt, versalzen und mit Bakterien infiziert, sagte Weiss.

Zuverlässige Aussagen darüber gibt es aber nicht, denn niemand ist dort derzeit in der Lage, Wasser zuverlässig zu analysieren. Frisches Wasser zählt deshalb zu den dringlichsten Hilfsgütern in den Katastrophengebieten. Und um die eigene Wasserversorgung wieder sicherer zu machen, will die Welthungerhilfe in Galle und zwei weiteren Städten Sri Lankas Brunnen leer pumpen, mit Chlor desinfizieren, neue Rohre verlegen und zentrale Wasserstationen anlegen.

In einer anderen Katastrophenregion ist auch Deutschland daran beteiligt, sauberes Wasser bereitzustellen. Das Technische Hilfswerk hat eine „Antonow“ gechartert, um mit 36 Mitarbeitern eine Trinkwasseraufbereitungsanlage im indonesischen Banda Aceh zu installieren.

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