zum Hauptinhalt

Politik: „Wir können euch jederzeit angreifen“

Ein Brief islamischer Terroristen und neue Bombenfunde alarmieren die spanischen Behörden vor dem Osterfest

EUROPA UND DER TERROR

„Wir wissen nicht, wie viele Feinde wir haben, und wir wissen nicht, wo sie sind“, schreibt die zweitgrößte spanische Zeitung „El Mundo“ über die Bedrohung durch islamistische Terroristen. Die Angst vor weiteren Attentaten mitten in den Osterferien ist groß und nicht unbegründet.

Inzwischen ging in Madrid ein weiteres Schreiben des Terrornetzwerks Al Qaida ein, in dem Spanien der „Krieg angedroht wird“, falls man die USA weiter unterstütze und seine Truppen aus dem Irak und Afghanistan nicht abziehe. „Wir werden euer Land in ein Inferno verwandeln, und euer Blut wird in Strömen fließen“, heißt es in dem an die Tageszeitung „ABC“ gerichteten Brief.

Nach Erkenntnissen der Polizei planten die Terroristen, die sich am Wochenende beim Sturm der Polizei auf ihre Wohnung in die Luft gesprengt haben, weitere Attentate. Zwei funktionstüchtige Rucksackbomben, wie sie schon am 11. März in den „Todeszügen“ gezündet worden waren, wurden in der Terroristenwohnung gefunden. Auch zwei Sprengstoffgürtel – Hinweis darauf, dass Selbstmordattentate in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf belebten Plätzen geplant waren. Die Terroristen, die dem Al-Qaida-Ableger „Islamische Kampfgruppe Marokkos“ zugeordnet werden, wollten die Osterwoche offenbar in eine blutige Woche des Leidens verwandeln.

Die Schlussfolgerung des spanischen Innenministers Angel Acebes, die „Madrider Terrorzelle“ sei zerschlagen, könnte sich also als vorschnell erweisen. Zwar starben in der Wohnung im Süden Madrids fünf Terroristen, darunter vermutlich die beiden mutmaßlichen Führer, der Tunesier Sarhane Ben Abdelmajid Fakhet und der Marokkaner Jamal Ahmidan; aber andere Verdächtige des Attentats vom 11. März werden noch gesucht. Die Spuren reichen auch ins Ausland. In jedem Fall ist die Zahl der islamistischen „Gotteskrieger“ in Spanien wesentlich größer, als Polizei und Geheimdienst es sich bisher vorstellen konnten.

Die Sicherheitsbehörden bezeichnen den jüngsten Drohbrief, der kurz vor dem Selbstmord der fünf arabischen Terroristen einging, als ernst zu nehmend. Das Schreiben ist mit dem Namen „Abu Nayaf al Afgani“ unterzeichnet, jener Mann, der bereits als „Militärsprecher für Al Qaida in Europa“ die Verantwortung für das Massaker vom 11. März übernahm. In dem Brief wird ein Ultimatum für den spanischen Truppenabzug gesetzt, das bereits am Wochenende auslief. In der Botschaft bekennt sich Al Qaida auch zu dem verhinderten Bombenanschlag auf die Schnellbahnstrecke zwischen Madrid und Sevilla am Freitag. Dies sei eine Warnung gewesen: „Wir sind in der Lage, euch jederzeit und in jeder Form anzugreifen.“

Angesichts dieser nationalen Bedrohung werden in Spanien derzeit die größten Schutzmaßnahmen der Geschichte ergriffen. Vor allem „weiche Ziele“ wie der öffentliche Nahverkehr, Einkaufszentren, touristische Plätze und Freizeiteinrichtungen werden schwer bewacht. Zuvor hatte das Militär bereits den Schutz von Industrieanlagen und nationalen Bahnstrecken übernommen. Nachdem am Wochenende eine weitere Terroristenwohnung im südspanischen Granada entdeckt worden war, wird nicht ausgeschlossen, dass islamistische Terroristen das nächste Mal in einer anderen spanischen Stadt zuschlagen könnten.

Ralph Schulze[Madrid]

Zur Startseite