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Politik: …wir Nachbarn im Liedgut treffen

14. Juli, Revolutionstag.

14. Juli, Revolutionstag. Heute marschieren sie wieder. Und sie werden wünschen, dass „unreines Blut“ ihre „Äcker tränken möge“. Sie werden die Angst vor „ausländischem Gesindel“ schüren, sie werden sich auf die Spur ihrer Verblichenen begeben und singen: „Eher ihren Sarg teilen/Als sie überleben wollend,/Werden wir mit erhabenem Stolz/Sie rächen oder ihnen folgen.“

Sicher, man soll nicht immer alles wörtlich nehmen. Aber wir Deutschen können nun mal nicht anders. Wir lassen die schwierigen Strophen unserer Hymne weg, gern lauschen wir allein ihrer Musik, ohne Worte. Unsere Nationalmelodie kann niemand missverstehen, die ist zurückhaltend, sie klingt fast ein bisschen schuldbewusst.

Dagegen diese Franzosen. Diese Marseillaise! So laut, sie scheppert richtig. Und erst die Worte. Alle Strophen: Oberkrass. Hammerbrutal. Die lassen nichts weg, kein „blutiges Banner“, keine „zerfleischte Mutterbrust“.

Bien sur, das hat mit der Geschichte zu tun, Tradition und so. Aber „Von der Maas bis an die Memel“ ist auch Geschichte, und gar keine Nazigeschichte. Trotzdem finden wir, dass man so etwas nicht singen sollte. Sind nun wir komisch oder die Franzosen?

Mal angenommen, wir sind komisch. Dann sind es ein paar Franzosen aber auch. Die fordern nämlich eine sanftere Marseillaise. Statt „möge unreines Blut unsere Äcker tränken“, könnte es heißen: „möge reine Luft unsere Nation überfluten“. Na gut, französische Dieselautos hatten als erste Rußfilter. Aber ein bisschen komisch klingt das schon.

Ein anderer Vorschlag geht mehr in Richtung Ergänzung: Man könnte noch eine Friedensstrophe anhängen. Hm. Schwer vorstellbar, dass so ein War-gar-nicht-so-gemeint, zumal als achte Strophe, funktionieren würde. Einfacher wäre es natürlich, in den Katalogen zu blättern und nach einem ganz anderen Lied Ausschau zu halten.

Bei Claude-Joseph Rouget de Lisle, dem Texter und Komponisten der Marseillaise, muss man vielleicht nicht suchen, denn der war im Hauptberuf Offizier und hobbymäßig Royalist. Wir könnten den Franzosen unseren Hoffmann von Fallersleben leihen, einen astreinen Frührepublikaner. Der hat neben seinem Deutschlandlied noch viele andere, total friedliche Sachen gedichtet, etwa „Kuckuck, Kuckuck“, „Alle Vögel sind schon da“, „Morgen kommt der Weihnachtsmann“. Wenn nun die Franzosen… Das wäre ein Zeichen! Die totale Versöhnung. Alt-Europa trifft sich im Liedgut. Die Zeit der Revolutionen ist doch wirklich vorbei. Der Hymnenwechsel wäre definitiv die letzte. dae

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