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Politik: "Wir sind couragierter als die Union" - Die FDP und ihr Parteichef erwachen zu neuem Selbstbewusstsein

Die FDP fühlt sich im Aufwind. Die frische Brise aus Schleswig-Holstein wollen die Liberalen nutzen, um der CDU die Wähler in kommenden Wahlen abzujagen.

Die FDP fühlt sich im Aufwind. Die frische Brise aus Schleswig-Holstein wollen die Liberalen nutzen, um der CDU die Wähler in kommenden Wahlen abzujagen. "Wir sind schneller als die Union, couragierter in der Sozialpolitik, mutiger in der Steuerreform und haben wirkliche marktwirtschaftliche Konzepte", verkündete der FDP-Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt am Montag nach der Präsidiumssitzung. Moderner als die CDU mit ihrer "ältlichen Weltanschauungspolitik" fühlen sich die FDP auf Bundesebene auch, indem sie "individuelle Lebensstile akzeptiert". Die FDP wendet sich also neben der Wirtschaft auch wieder der Gesellschaft zu und besinnt sich auf die liberalen Grundideen für eine Neubewertung der Familienpolitik.

Parteichef Gerhardt will damit das "spezifische Gewicht" der Partei erhöhen und sieht ein zweistelliges Wählerpotential in der Zukunft. Grund für den Optimismus sind die 7,6 Prozent der Stimmen, die die FDP am Sonntag in Schleswig-Holstein gewinnen konnte (1996: 5,7 Prozent). Schon bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen erhofft sich Gerhardt große Chancen. Er setzt dabei auf den Hauch von Frische, den die FDP verströmen will. Das Land ist von Affären geplagt und durch eine jahrzehntelange SPD-Regierung verfilzt. Koalitionsaussagen macht Gerhardt indes keine - weder für Nordrhein-Westfalen noch für spätere Wahlen. Dennoch möchte er nicht in die Nähe des Ehrenvorsitzenden Otto Graf Lambsdorff gerückt werden. Der hatte in der vergangenen Woche das Abschiedslied der Liberalen von der CDU angestimmt und leise eine Begrüßungsmelodie für die SPD gesummt. Eine "Binsenweisheit" sei das, fand Gerhardt, denn schließlich müsse jede demokratische Partei mit jeder anderen koalieren können. Und die SPD ist für ihn nicht besser als die CDU, denn auch sie ist in der "Sozialpolitik zu altmodisch, in der Wirtschaftspolitik zu ängstlich und zu bürokratisch".

Die gute Laune des Wolfgang Gerhardt war am Montag nur durch den Fall Hessen zu erschüttern. Sechs Tage vor dem außerordentlichen Landesparteitag der hessischen FDP telefoniert Gerhardt ständig mit den Kollegen. Das seien "ganz normale Kontakte", versuchte der Bundesvorsitzende die Gespräche mit der renitenten Landesvorsitzenden Ruth Wagner kleinzureden. "Kontrovers" sei es zugegangen, auch in einem langen persönlichen Gespräch mit Wagner am Wochenende. Noch spricht Gerhardt von einer nicht zerbrochenen Freundschaft zu Wagner, die weiterhin mit dem öffentlich lügenden CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch in einer Koalition verbleiben will. Man müsse auch unterschiedlicher Meinung sein dürfen, sagte Gerhardt. Nur Delegierte dürfe Wagner nicht länger unter Druck setzen, damit sie sich für Koch aussprechen. Gerhardt, nun gar nicht mehr amüsiert: "Dies ist zu unterlassen."

Ulrike Fokken

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