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Politik: Wir sind nicht das Volk

Algerien wählt – doch das Interesse ist gering

Das Lob kam von ungewohnter Seite: Algerien sei die lebendigste Demokratie in der arabischen Welt, meinte der Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages, Hans-Joachim Otto, während eines dreitägigen Besuches deutscher Parlamentarier in Algier. Am Donnerstag bestimmen die knapp 19 Millionen wahlberechtigten Algerier ein neues Parlament, es ist der dritte Urnengang seit der Einführung eines Mehrparteiensystems 1989. Die erste plurale Wahl 1991 endete mit einem großen Vorsprung der neuen islamistischen Partei Front Islamique de Salut (FIS). Auf Druck des Militärs und der alten Einheitspartei FLN wurde der zweite Wahlgang abgesagt und damit der FIS-Sieg annulliert – eine Entscheidung, die einen zehnjährigen Bürgerkrieg mit 150 000 Toten auslöste. Die Parlamentswahl 2002 fand noch ganz unter dem Eindruck des zurückliegenden blutigen Jahrzehnts statt, eine Abstimmung mit sehr geringer Wahlbeteiligung und begleitet von vielen Anschlägen.

Jetzt also der dritte Anlauf am 17. Mai 2007: Mehr als 12 000 Kandidaten von 24 politischen Parteien bewerben sich um die 380 Sitze der Volkskammer und die 144 Sitze des Oberhauses – auf den ersten Blick ein fulminantes demokratisches Aufgebot. Doch der Eindruck täuscht. Das Interesse im Land an diesen Wahlen ist gering, das Parlament spielt im politischen Leben Algeriens kaum eine Rolle. Ein tiefer Graben trennt die Volksvertreter, aber auch die Regierung und die staatlichen Institutionen von der Bevölkerung und ihren Nöten. So gehört das ölreiche Algerien zwar mit über 70 Milliarden Dollar Devisenreserven, praktisch keinen Auslandsschulden zu den reichsten Ländern Afrikas. Seine Bevölkerung jedoch zählt mit zu den ärmsten. Armut und Arbeitslosigkeit sind sehr hoch. Die Infrastruktur verfällt, medizinische Versorgung und öffentliche Dienste funktionieren eher schlecht als recht.

Um die Stimmen konkurrieren die nationalistische Regierungskoalition von Präsident Bouteflika mit der Front de Liberation Nationale (FLN), dem Rassemblement National Democratique (RND) und dem moderat islamistischen Mouvement pour la Societe de la Paix (MSP). Die wichtigste Oppositionspartei ist das Rassemblement pour la Culture et la Democratie (RCD), eine Partei der Berber. Dagegen sind islamistische Parteien nach dem Modell der FIS nicht zugelassen.

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