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Politik: „Wir sprechen über Vergewaltigung und Mord“

Verteidigungsminister Rumsfeld hat dem Kongress offenbar weitere Verbrechen geschildert – die Bilder hält das Pentagon aber unter Verschluss

Der Fantasie sind keine Grenzen mehr gesetzt. Verursacht hat die düsteren Ahnungen der US-Verteidigungsminister persönlich. Am Freitag musste sich Donald Rumsfeld wegen der Folter-Affäre von Abu Ghraib vor Senatoren und Abgeordneten im Kongress verantworten. Dabei deutete er an, dass das Ausmaß des Skandals weit größer sei, als bislang gedacht. Es gebe viel mehr Fotos und Videos. „Ich befürchte, die Sache wird noch schrecklicher.“ Senator Lindsey Graham, ein Republikaner, sagte danach: „Die amerikanische Öffentlichkeit muss verstehen, dass wir hier über Vergewaltigung und Mord sprechen.“

Nun überschlagen sich die Spekulationen. Offenbar existieren als Anhang zu dem ursprünglich geheimen internen Untersuchungsbericht, der vor zehn Tagen bekannt geworden war, Aufnahmen von Vergewaltigungen und Leichen. Diese sind angeblich das Resultat von Tötungsdelikten. Das Pentagon hält die Bilder unter Verschluss, nicht einmal der Kongress bekommt sie zu sehen. Allerdings wird fest damit gerechnet, dass sie zahlreich in Militärkreisen im Irak kursiert waren. Bis sie den Weg an die Öffentlichkeit finden, scheint nur eine Frage der Zeit.

Am Freitag druckte die „New York Times“ das Bild eines toten irakischen Gefangenen, der Schlagverletzungen aufweist, mit Eis bedeckt ist und in einem offenen Plastiksarg liegt. Auch ein zweites Foto dieser Art befindet sich im Besitz der Zeitung. Darauf sei ein Toter mit großer Kopfwunde zu sehen, neben ihm ein Papier mit Häftlings-Identifikationsnummer. Laut Armeebericht starb ein Häftling mit dieser Nummer am 24. November 2003 bei einer Gefängnisrevolte. Von Ivan Frederick, einem der sieben mutmaßlichen Folterer von Abu Ghraib, gibt es eine Tagebuchnotiz vom November 2003. Darin bezieht er sich auf CIA-Agenten und private Sicherheitsleute: „Sie setzten ihm dermaßen zu, dass der Mann starb. Sie legten seinen Körper in einen Plastiksack und packten Eis darauf.“

Folterten die Wärter auf Befehl der Geheimdienste? In der „Washington Post“ kam eine der Angeklagten zu Wort, die 26-jährige Sabrina Harmann. Ihr zufolge handelten die Soldaten auf direkte Anweisung der Militärgeheimdienste. „Aufgabe der Militärpolizei war es, sie wach zu halten und ihnen die Hölle zu bereiten, damit sie reden.“ Harmann wird neben Misshandlungen beschuldigt, Fotos und Videos der Gefolterten gemacht zu haben. Sie kommt aus einer Familie, in der solche Bilder zum Alltag gehören. Ihr Vater, ein Mordkommissar, brachte oft Tatortfotos nach Hause, die er der Familie zum Analysieren vorlegte. Sabrina sei „mit Autopsie und Verbrechensbildern aufgewachsen“, sagt ihre Mutter.

Warum die Aufnahmen entstanden, ist ungeklärt. War es der Wunsch, die Szenen als Souvenir mit nach Hause zu nehmen? Dafür spricht, dass viele der Folterbilder auf einer Diskette gespeichert wurden, wo sie neben wirklichen Souvenirbildern standen – Soldaten, die auf einem Kamel reiten und andere harmlose Dinge tun. Oder wurden die Bilder zur Einschüchterung anderer Gefangener angefertigt? Das behauptet der Anwalt des angeklagten Militärpolizisten Charles Graner. Auch hätten die Geheimdienstler unter enormem Druck ihrer Vorgesetzten gestanden. In den Verhören sei es vor allem darum gegangen, zu erfahren, wo sich Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen befinden.

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