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Politik: …wir wieder alt aussehen

Zu den ganz großen Klassikern, denen, die das Leben zusammenhalten, egal ob nun zu vorgerückter Stunde bei Tante Ernas 75. oder in der Kantine, wo der Hans-Jürgen vom Einkauf gerade sein zweiwöchiges Dienstjubiläum feiert, gehört noch immer der Spruch: So jung kommen wir nicht mehr zusammen!

Zu den ganz großen Klassikern, denen, die das Leben zusammenhalten, egal ob nun zu vorgerückter Stunde bei Tante Ernas 75. oder in der Kantine, wo der Hans-Jürgen vom Einkauf gerade sein zweiwöchiges Dienstjubiläum feiert, gehört noch immer der Spruch: So jung kommen wir nicht mehr zusammen! Meistens wird schon unmittelbar danach kräftig einer genommen, was den Fatalismus, der in dieser Aussage eigentlich nistet, im Regelfall ebenso kräftig fortspült.

Wenig bleibt, wie man weiß, und wenn man eine, mutmaßlich von der neuen Bundesregierung geheim in Auftrag gegebene Untersuchung, die nun das Umfrageinstitut Emnid veröffentlicht hat, richtig deutet, wird auch dieses schöne Ritual schon sehr bald der Vergangenheit angehören – allein schon aus Gründen der korrekten Messbarkeit. Denn Emnid hat herausgefunden, dass sich die Deutschen jünger fühlen als sie sind, im Schnitt satte 5,2 Jahre, überdies mit einer nach oben hin zunehmenden Tendenz, die erst jenseits der 70 wieder einen leichten Knick bekommt. Man nennt dies heutzutage „Anti-Aging-Effekt“, ein Phänomen, das früher gerne auch mit dem Spruch „Man ist so alt wie man sich fühlt“ zusammengefasst wurde – auch dies eine Erkenntnis, die im Regelfall dazu führte, dass schon kurz danach kräftig einer genommen wurde.

Den stärksten „Anti-Aging-Effekt“ kann die Gruppe der 60- bis 69-Jährigen vorweisen. Glaubt man Emnid, fühlen sich Menschen dieser Altersklasse im Durchschnitt 10 Jahre und einen Monat jünger als in ihrem Personalausweis angegeben, womit sie auf ihrer subjektiven Altersskala also irgendwo glatt in den 50ern ankommen, dort, wo man sich wiederum durchschnittlich 6,2 Jahre jünger wähnt. Mit ein bisschen erhebungstechnischem Geschick in eigener Sache lässt sich da viel nach unten bewegen, nur jünger als 30 sollte man sich schon im eigenen Interesse nicht fühlen – denn diese Gruppe gibt an, mental bereits acht Monate weiter zu sein.

Für die oben erwähnten Trinkgelage bedeutet dies, dass nun eine gewisse Unübersichtlichkeit eintreten wird, je nachdem, ob sich, etwa bei Tante Erna, die Festgesellschaft auf das gefühlte oder das biologische Alter einigt. Sofort klarer wird der Blick allerdings, wenn man selbigen über die Tabellen schweifen lässt, mit denen dem Volk die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters nahe gebracht wird. Wem’s bislang noch nicht aufgefallen ist: Von biologischem Alter steht da nix!

Insbesondere Amtsärzte müssen sich künftig darauf gefasst machen, dass sie auf die an sich gut gemeinte Frage „Wie fühlen Sie sich?“, die Antwort erhalten: „Ich verweigere die Aussage.“ Vbn

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