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Politik: „Wir wissen, was noch zu tun ist“

Die Europaministerinnen von Bulgarien und Rumänien rechnen fest mit einem EU-Beitritt 2007

Anca Boagiu ist Rumäniens Ministerin für Europäische Integration. Die 37-Jährige ist Abgeordnete der Demokratischen Partei und gilt als Vertraute des Präsidenten Traian Basescu.

Berlin - Wenn das Europaparlament am Donnerstag die Fortschrittsberichte über die EU-Beitrittskandidaten Bulgarien und Rumänien diskutieren wird, wird ganz Bulgarien gespannt nach Straßburg schauen. Die bulgarische Europaministerin, Meglena Kunewa, sagt über den für 2007 geplanten Beitritt: „Das ist für unser Land eine Überlebensfrage.“ Im Europaparlament dagegen gibt es immer mehr, vor allem konservative Abgeordnete, die den Eindruck haben, zu Hause keine neue Erweiterungsrunde mehr erklären zu können. Eine gewisse Erweiterungsmüdigkeit hat sich breit gemacht.

Kunewa weiß, dass diese Stimmung für Bulgarien „gefährlich“ ist. Denn in Bulgarien fiebern alle dem Beitritt entgegen. Schließlich hat das Land eine Vielzahl von schmerzhaften Reformen umgesetzt, um „europareif“ zu werden. Selbst Bulgaren mit Arbeitsplätzen verdienen oft nicht genug, um ihr Überleben zu sichern. Gerade deshalb bat Kunewa vor kurzem bei ihrem Besuch in Berlin um Unterstützung. „Wir dürfen die Menschen nicht enttäuschen“, sagte sie. Denn trotz aller Opfer, die die Bulgaren derzeit bringen, hätten sie eine starke Motivation für den Beitritt. „Wir wollen unsere Kinder zurück. Wir wollen Leben wie normale Europäer.“

Bulgarien war bei den Vorbereitungen auf den Beitritt durch eine komplizierte Regierungsbildung im Sommer etwas zurückgeworfen worden. Zwar blieb Kunewa als einzige Ministerin aus der Vorgängerregierung von Simeon Saxcoburggotski im Amt. Doch bis der Wahlsieger, Sergei Stanischew, der Chef der sozialistischen Partei, eine Koalition mit der liberalen Partei seines Vorgängers und der Partei der türkischen Minderheit gezimmert hatte, vergingen Wochen.

Inzwischen ist die Regierung aber wieder mit Eifer dabei, die Vorgaben der EU zu erfüllen. Vor allem beim Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption hat Brüssel noch Defizite moniert. Um der Korruption den Kampf anzusagen, will Bulgarien nun die Verfassung ändern und Politikern und hohen Beamten die strafrechtliche Immunität entziehen, wenn sie in Korruptionsverdacht geraten. Kunewa ist jedenfalls optimistisch, dass „am Ende alles gut wird“ und Bulgarien der EU 2007 beitritt.

Frau Boagiu, halten Sie es für denkbar, dass Rumäniens EU-Beitritt um ein weiteres Jahr auf Januar 2008 verschoben wird?

Nein. Es ist die Meinung aller Beteiligten, dass Rumänien so schnell wie möglich beitreten sollte. Und wir tun alles, um die Kriterien zu erfüllen. Der Fortschrittsbericht der EU-Kommission im Oktober hat ein paar kritische Punkte aufgelistet: die Grenzsicherung, die Korruptionsbekämpfung. Wir nehmen das sehr wichtig. Und wir haben unsere Anstrengungen noch einmal verdoppelt.

Könnte es nicht auch eine Chance für Rumänien sein, ein Jahr mehr Zeit zur Beitrittsvorbereitung zu haben?

Warum das? Die Chance, die wir haben, ist die Chance, dass wir am 1. Januar 2007 EU-Mitglied werden. Eine Chance übrigens für beide Seiten. Sie dürfen nicht vergessen: Rumänien hat zwar die längste Außengrenze der EU; Rumänien hat aber auch die siebtgrößte Zahl an Einwohnern, also an Käufern und Verbrauchern. Nein: Eine Verschiebung wird uns keinerlei Vorteile bringen. Im Gegenteil, es nimmt den Druck raus.

Das heißt, auch den Druck, der durch die Kritik in den Fortschrittsberichten entsteht, empfinden Sie als hilfreich?

Ja, sehr. Wir wissen jederzeit, wo wir stehen und was noch zu tun ist. Das führt dazu, dass unser Ministerium nicht immer das beliebteste ist, weil wir mahnen und drängen. Aber das ist nun einmal unsere Aufgabe. Wir haben fast alle EU-Vorgaben in Gesetze gegossen – jetzt geht es darum, dafür zu sorgen, dass sie implementiert werden. Dabei ist immer klar: Wir machen das alles nicht, weil die Europäische Union das will. Zuallererst machen wir es, weil es unser Volk und unser Land verdient haben.

Sind Rumänien und Bulgarien Konkurrenten oder Freunde?

Wir sind keine Konkurrenten. Wir wollen beide in die EU, und wir helfen einander. Wir haben gemeinsam gewartet, wir haben uns gemeinsam angestrengt – jetzt ist unsere Zeit gekommen, um der EU-Familie beizutreten.

Das Gespräch führte Michael Schmidt.

Meglena Kunewa

ist seit 2002

Europaministerin in der bulgarischen

Regierung. Die Juristin gehört der liberalen Partei an und ist von Hause aus Umweltpolitikerin.

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