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Politik: „Wir wollen den Prozess in Gang setzen“

Israels Botschafter Schimon Stein sieht ein „Fenster der Möglichkeiten“ zur Lösung des Nahostkonflikts

Herr Botschafter, am Samstag reist Kanzlerin Merkel in den Nahen Osten. Gibt es das „Zeitfenster für den Friedensprozess“ im israelisch-palästinensischen Konflikt, von dem Merkel spricht?

Wie oft haben wir schon vom Fenster der Möglichkeiten gehört! Aber es ist wahr, der Nahe Osten ist in Bewegung. Die sogenannten Gemäßigten in der arabischen Welt haben verstanden, dass sie einem anderen Lager gegenüberstehen, den Extremisten. Im innerpalästinensischen Konflikt spiegelt sich die Großwetterlage wider: auf der einen Seite der Iran, in einer Allianz mit Syrien, der Hisbollah und der Hamas. Auf der anderen Seite die Gemäßigten, bei den Palästinensern vertreten durch Abbas. Israel ist bereit, Abbas zu helfen. Dazu kommt das Quartett mit den Amerikanern, bei denen die Bereitschaft zum Ausloten auch vorhanden ist. Deshalb kann man durchaus von einem Fenster der Möglichkeiten reden.

Die politische Großwetterlage hängt nicht mehr vom israelisch-palästinensischen Konflikt ab, sondern umgekehrt: Eine andere Großwetterlage wirkt sich positiv auf den Konflikt aus?

In der arabischen Welt, aber auch in Europa gibt es viele, die sagen: Wenn Israel Frieden mit den Palästinensern schließt, werden sich auch alle anderen Probleme in der Region friedlich lösen lassen. Doch inwiefern hat die Beilegung des Konflikts Auswirkungen auf die Lage im Libanon? Auf die hegemonialen Ansprüche des Iran? Das Axiom stimmt einfach nicht, das hat der Libanonkonflikt besonders deutlich gemacht. Früher war von der Einheit der arabischen Welt die Rede, und die Saudis haben mit wenigen Ausnahmen nie die Initiative in der arabischen Welt ergriffen. Heute üben sie sogar Kritik an Syrien. Denn für die Saudis ist eine neue Bedrohung entstanden: die iranische. Die Gemäßigten in der arabischen Welt haben die eigentliche Bedrohung erkannt.

Die Palästinenser stehen kurz vor dem Bürgerkrieg und Israels Regierung ist geschwächt. Sind beide Seiten im Moment überhaupt handlungsfähig?

Innerhalb des palästinensischen Lagers findet eine Auseinandersetzung statt zwischen Abbas, der für die Vision von zwei Staaten eintritt, und der Hamas, die nicht für eine politische Lösung eintritt. Abbas beharrt darauf, dass eine nationale Einheitsregierung die drei Bedingungen des Quartetts – Existenzrecht Israels, Abschwörung des Terrors und Übernahme der Verträge – erfüllt. Die Staatengemeinschaft sollte sich hinter ihn stellen und ihre Verpflichtungen erfüllen, ohne Kompromisse. Israel hat bereits 100 Millionen Dollar gegeben, um Abbas zu stärken. Wir müssen Abbas in die Lage versetzen, den Palästinensern sagen zu können: Ihr habt eine bessere Option als jene, die euch die Hamas anbietet. Was Israel angeht, sollte man nicht vergessen, dass Ministerpräsident Olmert, auch wenn seine Umfragewerte derzeit so sind wie sie sind, in der Knesset eine komfortable Mehrheit für seine Vision genießt. Wir wollen den Prozess in Gang setzen. Und dafür ist die israelische Regierung handlungsfähig genug.

Müssen die Europäer, wie die Amerikaner fordern, mehr Druck auf den Iran in Sachen Atomprogramm ausüben?

Manche Europäer warnen vor der militärischen Option. Alle, auch die gemäßigten in der Region, warnen vor den Auswirkungen eines nuklearisierten Iran. Wir sind uns also über die Gefahren im Klaren. Der Preis, den wir heute bezahlen müssen, um den Weg wirtschaftlicher, finanzieller und politischer Sanktionen zu gehen, ist viel niedriger als der Preis, den wir bezahlen, wenn Iran die Atombombe hat. Wer gegen eine militärische Option ist, muss bereit sein, Opfer zu bringen und alles zu tun, um Iran unter Druck zu setzen.

Das Gespräch führten Clemens Wergin und Moritz Schuller.

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