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Politik: Wirtschaft lehnt Steuersenkungen auf Pump ab

Verbände: Vorziehen der Reform durch schärferen Sparkurs und Subventionsabbau finanzieren / Widerstand gegen Belastungen für Bauern, Häuslebauer und Rentner

Berlin . Für ein Vorziehen der Steuerreform 2005 soll die Bundesregierung keine neuen Schulden aufnehmen. Stattdessen müsse die Koalition stärker sparen und noch mehr Subventionen abbauen, forderten am Freitag Wirtschaftsverbände gegenüber dem Tagesspiegel. Streit gibt es indes über das Vorhaben von Finanzminister Hans Eichel (SPD), im Haushalt 2004 bei Landwirten, Rentnern und Häuslebauern zu sparen.

In der Haushaltsklausur müsse die Koalition „überprüfen, was sich der Staat noch leisten kann, und was Luxus ist“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Grundsätzlich müsse der Staat pro Jahr 100 Milliarden Euro einsparen, um „unseren Kindern in 30 Jahren ein schuldenfreies Gemeinwesen zu übergeben“. Neue Kredite dürfe die Regierung daher nicht beschließen. „Weitere Versprechen auf Basis ungedeckter Schecks werden das Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern ruinieren“, warnte er. Geld sparen könne der Staat durch das weitere Streichen von Subventionen. Sie könnten „jährlich linear um zehn Prozent gekürzt werden, und zwar vier bis fünf Jahre lang“, schlug Wansleben vor. Zusätzlich zur Kürzung von Eigenheimzulage, Pendlerpauschale und Bauern-Vergünstigungen solle die Steuerfreiheit von Nacht- und Feiertagszuschlägen wegfallen. Aufschläge wegen ungünstiger Arbeitszeiten müssten zwischen Firmen und Arbeitnehmern ausgehandelt werden. Wansleben: „Wenn es ökonomisch geboten ist, werden die Unternehmer höhere Löhne zahlen, um den Verlust der Steuervergünstigung auszugleichen.“

Auch Industriepräsident Michael Rogowski warnte vor neuen Schulden. Zwar seien Steuersenkungen nötig, aber einen „Einmaleffekt zum Preis dauerhafter Steuererhöhungen oder auf Pump lehnen wir ab“, sagte er. Der BDI-Chef warnte davor, „hinter verschlossenen Türen die Reanimation des Steuervergünstigungsabbaugesetzes“ vorzubereiten. Die Regierung solle die Tagung nutzen, um Mittel und Wege zu finden, die ständig wachsenden Staatsausgaben in den Griff zu bekommen. Rogowski: „Das ist die erste Voraussetzung für Steuersenkungen.“

Auch der Bund der Steuerzahler forderte, das Vorziehen der Reform ausschließlich über Subventionsabbau und Verkäufe von Bundesbesitz zu finanzieren. „Machen wir weiter Schulden, gehen wir an den Zinsen zugrunde“, sagte Verbandschef Karl-Heinz Däke. Die Entfernungspauschale, die in Zukunft nur noch für Fahrten über 20 Kilometer gelten soll, müsse jedoch für alle Steuerzahler wegfallen – „oder gar nicht“.

Gegen andere Maßnahmen, die Eichel plant, regt sich Widerstand. Die Streichung der Eigenheimzulage treffe „eine Branche, die am Boden liegt“, sagte Arndt Frauenrath, Präsident des Zentralverbands des Baugewerbes. Durch die steigende Arbeitslosigkeit bei Bauarbeitern und durch Steuerausfälle entstünden dem Staat mehr Kosten, als er durch die Streichung der Zulage spare. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner wandte sich gegen die höhere Besteuerung von Agrardiesel. „Nach der zuvor beschlossenen Agrarreform ist das eine weitere, untragbare Belastung für die Bauern“, sagte er. Zudem litten diese nun unter Wettbewerbsnachteilen gegenüber europäischen Nachbarn, die für Agrardiesel weniger Steuern zahlten. Die Sparvorschläge bei den Renten nannte Walter Hirrlinger vom Sozialverband VdK eine „Abzockorgie“. Notfalls will sein Verband vor das Verfassungsgericht ziehen und gegen die Rentenanpassung 2003 Widerspruch einlegen.

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