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Politik: Wirtschaft sieht Wahlbetrug der Union

DIHK: Geplante Steuererhöhung für Gesundheit steht in krassem Gegensatz zu Merkels Versprechen

Von Antje Sirleschtov

Gegen die Reformpläne der Bundesregierung bei Gesundheit und Unternehmenssteuer regt sich mehr und mehr Widerstand in der deutschen Wirtschaft. „Den Leuten wird unweigerlich in die Taschen gegriffen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, dem Tagesspiegel angesicht der Koalitionspläne, Teile der Gesundheitskosten künftig über Steuern zu finanzieren und dafür die Einkommensteuer anzuheben. Er bezog sich damit auf Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), nach denen die Bürger nicht das Gefühl haben dürften, mit den Reformen wolle die Koalition aus Union und SPD „den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen“.

Wansleben beklagte, dass die Koalition bislang vor allem über mehr Einnahmen für das Gesundheitssystem, allerdings kaum über Strukturveränderungen gesprochen habe. „Wenn das die Reformen der schwarz-roten Bundesregierung sind“, sagte er, „wird sie in die Annalen der Bundesrepublik Deutschland als die Regierung der großen Steuererhöhungen eingehen.“ Die Gesundheitsreform gehe „schon im Ansatz in die völlig falsche Richtung“. Statt über mehr Eigenverantwortung der Patienten, mehr Wettbewerb und Effizienz des Systems zu sprechen, wird vor allem über mehr Steuern und mehr Einnahmen verhandelt.

Wansleben warf insbesondere der Union indirekten Wahlbetrug vor. „Die Ankündigung, jetzt auch noch die Einkommensteuer zur Sanierung des Gesundheitssystems zu erhöhen, steht im krassen Gegensatz zu den Ankündigungen im Wahlkampf“. sagte er. Jetzt müssten die Bürger doppelt bezahlen. „Erst die Mehrwertsteuer und dann höhere Einkommensteuern.“

Kritik an den Gesundheitsreformplänen, die kommenden Sonntag abschließend beim Koalitionsgipfel verhandelt werden sollen, kam auch aus der Opposition. „Frau Merkel braucht für diese Murksregierung immer neues Geld“, sagte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn dieser Zeitung. „Sie kriegt ihre Hand aus den Taschen der Bürger gar nicht mehr raus.“ FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle meinte, es wäre „erfreulich, wenn die Bundeskanzlerin den Bürgern nicht noch weiter in die Tasche greifen würde“. Allerdings könne man daran nicht mehr glauben. „Man muss bei der Gesundheitsreform das Schlimmste befürchten.“

Wenige Tage vor der Entscheidung über die Gesundheitsreform sind zentrale Finanzierungsfragen zwischen Union und SPD weiter umstritten. Die Union lehnte die vom Gesundheitsministerium als Möglichkeit vorgesehene Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen ab. „Wir haben klar gemacht, dass die Beitragsbemessungsgrenze für uns kein Thema ist“, sagte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, am Dienstag. Damit ist auch weiter unklar, wie Union und SPD das erwartete Defizit der Kassen von rund sieben Milliarden Euro 2007 schließen wollen.

Heftige Kritik kam aus der Wirtschaft auch angesichts der Reformpläne der Koalition zur Unternehmensteuer. Verbandschef Wansleben sagte: „Die Pläne zur Unternehmensteuerreform zeigen: In Steuerfragen war die rot-grüne Regierung Schröder schon weiter als die schwarz-rote Regierung von Frau Merkel“. Die Regierung Schröder habe immerhin den Spitzensteuersatz und die Unternehmensteuern gesenkt. Die geplante Besteuerung von Zinsen, Mieten und Leasingzahlungen bezeichnete Wansleben als „einmaligen Vorgang in der deutschen Steuerrechtsgeschichte“. Das werde viele Unternehmen in Schwierigkeiten bringen und nur weit weniger Unternehmen helfen, international wettbewerbsfähig zu werden.

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