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Politik: Wirtschaftsexperten fordern weitere Reformen

Führende Institute raten, auf längere Arbeitslosengeldzahlung an Ältere und Mindestlöhne zu verzichten

Berlin - Die führenden Wirtschaftsinstitute haben die Bundesregierung davor gewarnt, Teile der Arbeitsmarktreformen wieder zurückzunehmen. Eine Verlängerung des Arbeitslosengeld-Bezugs für Ältere sei „schädlich für den Aufschwung“, sagte der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Joachim Scheide, am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des Herbstgutachtens. Eine Abkehr von den Reformen würde die jüngsten Erfolge – Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit und mehr Beschäftigung für Ältere – gefährden, heißt es in der Studie. Die Regierung sah sich indes durch die Expertise bestätigt.

Die acht am Gutachten beteiligten Häuser verlangen weitere Reformen, damit das Wachstum intakt bleibe. „Wenn die Politik weniger tut, besteht die Gefahr, dass sie das Erreichte gefährdet“, befand Roland Döhrn vom Essener RWI. Von der Einführung von Mindestlöhnen raten die Forscher ab. Bei einer generellen Lohnuntergrenze von 7,50 Euro, wie sie die Gewerkschaften fordern, sei „schwer vorstellbar“, dass die Beschäftigung nicht verringert werde, heißt es im Gutachten. Jeder zehnte Arbeitnehmer im Westen und jeder vierte im Osten verdiene weniger. Noch schlimmer seien branchenbezogene Mindestlöhne wie der jüngst im Postsektor vereinbarte, heißt es.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rieten die Wissenschaftler, weiter Schulden sowie Subventionen abzubauen und zugleich mehr zu investieren. Das funktioniere, wenn die konjunkturunabhängigen Staatsausgaben um höchstens zwei Prozent je Jahr zunähmen und damit einen Prozentpunkt langsamer als das nominale Wachstum. So entstünde ein Etatüberschuss von jährlich zehn Milliarden Euro – dieses Geld könne für den Schuldenabbau, für Investitionen oder für Steuersenkungen genutzt werden.

Der Aufschwung wird nach Einschätzung der Gutachter 2008 eine Pause einlegen. Das Bruttoinlandsprodukt, also die Summe aller neuen Güter und Leistungen, werde nur noch um 2,2 Prozent wachsen – nach 2,6 Prozent in diesem Jahr. Schuld an der Verlangsamung seien die US-Immobilienkrise und der hohe Euro-Kurs. Dabei werde der Osten in diesem Jahr erneut stärker zulegen als der Westen. 2008 werde dann die Binnennachfrage die Konjunktur stützen. Die Arbeitslosigkeit sehen die Forscher auf 3,45 Millionen Menschen absinken. 2009 stünden die Chancen wieder gut für ein stärkeres Wachstum, sagte IfW-Mann Scheide.

In einer Reaktion sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der Reformkurs solle fortgesetzt werden. „Wir müssen die Grundlagen des Aufschwungs verstetigen, wir können nicht die Hände in den Schoss legen.“ Sie begrüßte die Entwicklung in den neuen Ländern. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) rief dazu auf, „den Aufschwung zu pflegen und die Wachstumskräfte zu stärken“.

Die Opposition attackierte die Regierung. FDP-Chef Guido Westerwelle mahnte, der Aufschwung sei längst nicht in trockenen Tüchern: „Diese Zahlen sind vor allen Dingen eine Aufforderung an die Politik, jetzt den Reformkurs nicht leichtsinnig abzubrechen.“. Der DGB befand, viele der neu entstandenen Jobs seien „nicht existenzsichernd oder nachhaltig“.

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