zum Hauptinhalt

Wirtschaftsminister Brüderle: Im Abseits in Sao Paulo

Der Wirtschaftsminister von der FDP verärgert die CDU mit vorschnellen Äußerungen. Das sei "der Gipfel der Dummheit", fasst ein Unionsmann die Stimmung zusammen und zeigt sich sicher: "Die Kanzlerin wird ihn einnorden."

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Sao Paulo scheint für Liberale kein gutes Pflaster zu sein. Als der FDP-Vorsitzende und Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor einigen Wochen in der brasilianischen Metropole weilte, musste er mit ansehen, wie sich zu Hause – wegen seiner Reisebegleiter – Wut und Häme über ihn ergossen. Nun droht dem FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ein ähnliches Schicksal.

Und zwar vom eigenen Koalitionspartner. Dort nämlich, in der Fraktion von CDU und CSU, werden Brüderle schwere Vorhaltungen gemacht. Aus lauter Eitelkeit, heißt es, habe der Bundeswirtschaftsminister die Position der gesamten Bundesregierung in der Griechenland- und Euro-Krise geschwächt. Das sei „der Gipfel der Dummheit“, fasst ein Unionsmann die Stimmung zusammen und zeigt sich sicher: „Die Kanzlerin wird ihn einnorden.“

Seit Wochenbeginn befindet sich der so Gescholtene auf Dienstreise in Brasilien. An den dramatischen Ereignissen um den Euro und der Rettungsaktion der Deutschen hat Brüderle in dieser Woche also allenfalls peripheren Anteil. Dennoch hat Brüderle auf dem Höhepunkt der delikaten Verhandlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Griechenland am Mittwochnachmittag – in Sao Paulo – den Refinanzierungsbedarf der Griechen öffentlich mit „135 Milliarden Euro“ beziffert. Und das, obwohl IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn in Berlin wenige Stunden zuvor die deutsche Regierung und die Fraktionsspitzen ausdrücklich wegen der noch laufenden Verhandlungen um Stillschweigen gebeten hatte.

Nicht nur wegen der internationalen Blamage sei das „ärgerlich“, sagt auch der CDU-Haushälter Norbert Barthle. Schließlich müssen sich Vertreter internationaler Organisationen auf die Professionalität deutscher Amtsträger verlassen können. Auch an den Finanzmärkten könnten solche unbedachten Worte leicht zu unkalkulierbaren Panikreaktionen führen. Und schließlich sei es auch dem Anliegen der Regierung, der besorgten Bevölkerung den Sinn der Hilfen für Griechenland nahe zu bringen, abträglich, wenn Brüderle mit dreistelligen Milliardenbeträgen nach vorn prescht. „Das erschreckt doch die Leute“, sagt Barthle.

Auch die Kanzlerin selbst war am Mittwochnachmittag überrascht von den Meldungen aus Brasilien. Von einem Journalisten darauf angesprochen, sagte Merkel: „Ich habe in den vergangenen Tagen immer wieder darum gebeten, dass Zahlen nicht genannt werden, solange solche Zahlen nicht mit einem abgeschlossenen Programm verbunden sind.“ Und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte am Abend im ZDF: „Ich rate jedem Amtsträger sich zurückzuhalten.“

Brüderles Versuch, sich, wenn auch nur per Fernmeldung, ins Zentrum des politischen Geschehens in Berlin einzumischen, wird ohnehin in der verärgerten Union nur als augenblicklicher Höhepunkt einer FDP angesehen, die die Griechenlandkrise lieber für ihre Interessen im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen ausschlachtet, statt sich ihrer staatsbürgerlichen Pflicht in der Regierungskoalition bewusst zu werden.

Seit Wochen schon beobachten Unionisten mit wachsendem Unmut, wie der FDP-Vizeparteichef Andreas Pinkwart nicht müde wird, die bevorstehende Griechenlandhilfe gegen die Steuersenkungsversprechen seiner Partei auszuspielen. „Wer den Griechen hilft“, hatte Pinkwart zuletzt beim Bundesparteitag in Köln gesagt, „muss auch Geld für Steuersenkungen haben.“ Ein Schluss, zu dem auch Außenminister Westerwelle auf dem Parteitag kam: „Für alles ist Geld da“, rief er seinem Koalitionspartner zu, „für Banken, Autokonzerne und die Solidarität in Europa. Nur für die Entlastung der Mittelschicht nicht?“ Die Angst, bei der Landtagswahl am kommenden Wochenende aus dem Düsseldorfer Parlament zu fliegen, treibe die Liberalen dazu, „populistisch die Bevölkerung aufzustacheln“, erklären die Unionsleute dieses Verhalten des Koalitionspartners.

Zur Startseite